Kunstförderung contra Arbeitsplätze? Dieser Gegensatz prägte den Streit zwischen IG Metall und der Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung im aktuellen Ringen um die Zukunft der Stahlsparte von Thyssen-Krupp. Die Gewerkschaft wirft dem Vorstand vor, sich zu wenig um die Zukunft des Unternehmens und damit auch der dortigen Beschäftigen zu kümmern.

„Kunst oder Stahl – Das Geld muss in sichere Arbeitsplätze fließen und nicht in die Stiftung“: Das ist der Slogan, mit dem jüngst die Gewerkschaft IG Metall vor der Villa Hügel in Essen demonstrierte, wie die F.A.Z. berichtet. Am Sitz der Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung forderten sie den Vorstand auf, ihrer Verantwortung für die bedrohten Arbeitsplätze der Stahlsparte gerecht zu werden. „Wir reden hier von einer Stiftung, die sich gemeinwohlorientiert nennt. Ich sehe aber vor allem, dass sie kulturelle Aktivitäten fördert und dafür das Geld aus Thyssen-Krupp-Dividenden einsetzen will“, so der frühere IG Metall-Chef Detlef Wetzel gegenüber der WAZ. Die Stiftung ist mit 21 Prozent der Thyssen-Krupp-Aktien größter Anteilseigner. Im Mai wurde bekannt, dass sie der Übernahme von 20 Prozent des Stahlgeschäfts zugestimmt hat. Sie gehen an eine Holding des tschechischen Investors und Milliardärs Daniel Křetínský. Später sollen weitere Anteile folgen, auch die Streichung von Arbeitsplätzen wird diskutiert.

„Treue zum Unternehmen“

Die Stiftung um Kuratoriumsvorsitzende Ursula Gather weist die Vorwürfe zurück. Die Stiftung habe immer wieder dividendenlose Jahre in Kauf genommen – alleine seit 2011 fünfmal – und aus Treue zum Unternehmen hingenommen, dass sich das Vermögen durch die Wertentwicklung der Thyssen-Krupp-Aktie um 80 Prozent reduziert habe. Die Anteilsscheine am Traditionsunternehmen stellen das komplette Anlagevermögen der Stiftung dar. „Diese Opfer haben wir immer wieder im Interesse der langfristigen Stabilität des Unternehmens und der Sicherung der Arbeitsplätze gebracht, weil wir daran glauben, dass Thyssen-Krupp eine Zukunft hat. Allerdings braucht es dafür Veränderungen“, schreiben Gather und die Stiftungsvorstände Volker Troche und Michaela Muylkens. Im Dezember 2023 hatte Muylkens Ausschüttungen trotz Unternehmensverlusten gegenüber der WAZ verteidigt: „Die Dividende ist die Grundlage unserer Existenz.“

„Diesen Stiftungsauftrag jetzt mit mangelnder Sorge um die Thyssen-Krupp-Mitarbeitenden gleichzusetzen, ist eine Verdrehung der Tatsachen und Vermischung von Sachverhalten.“
Offener Brief der Krupp-Stiftung an die IG-Metall-Führung

Unternehmensbezug stark in der Präambel

Auf ihrer Website verneint die Stiftung die Frage, ob sie den Zweck verfolgen dürfte, „die Einheit des Unternehmens Thyssen-Krupp zu wahren“: Weder das Verwalten des Stiftungsvermögens noch das Verfolgen der Einheit des Unternehmens dürften als Selbstzweck das Handeln der Stiftung bestimmen. „Als gemeinnützige Stiftung darf die Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung ausschließlich ihre gemeinnützigen Satzungszwecke verfolgen.“ Tatsächlich nennt die Satzung als Wege der Zweckerfüllung die Förderung von

  • Wissenschaft in Forschung und Lehre einschließlich des
    wissenschaftlichen Nachwuchses
  • Erziehungs- und Bildungswesen
  • Gesundheitswesen
  • Sport,
  • Literatur, Musik und bildende Kunst

Damit wird im Zweckparagraphen der gemeinnützigen Stiftung das Unternehmen Thyssen-Krupp nicht erwähnt. Anders als in der Präambel aus dem November 1967. Darin schreiben die drei vom im Juni des Jahres verstorbenen Stifter Alfried Krupp von Bohlen und Halbach bestellten Testamentsvollstrecker Berthold Beitz, Arndt von Bohlen und Halbach sowie Dedo von Schenck: „Zweck der Stiftung soll es nach den vom Stifter in seiner letztwilligen Verfügung getroffenen Anordnungen sein:
a) die Einheit des Unternehmens Fried. Krupp dem Willen seiner Vorfahren entsprechend auch für die fernere Zukunft zu wahren;
b) mit den ihr aus dem Unternehmen Fried. Krupp anfallenden Erträgnissen nach näherer Bestimmung ihrer Satzung philanthropischen Zwecken zu dienen, insbesondere der Förderung der Forschung, der Lehre, der Wissenschaften, des Erziehungs- und Gesundheitswesens und der schönen Künste.“

Die Einheit des Unternehmens taucht erneut in Absatz vier des Paragraphen zum Stiftungsvermögen der von den Testamentsvollstreckern ausformulierten Satzung auf: „Bei der Verwaltung ihres Vermögens und bei der Verfügung über einzelne Vermögenswerte ist die Stiftung im Rahmen der Satzung und der jeweils geltenden Gesetze frei. Die Stiftung und ihre Organe sollen jedoch bei Entscheidungen, die sich auf ihre Beteiligung an der das Unternehmen Fried. Krupp fortführenden Kapitalgesellschaft beziehen, im Geiste des Stifters und seiner Vorfahren und Vorfahrinnen darauf achten, dass die Einheit dieses Unternehmens möglichst gewahrt und seine weitere Entwicklung gefördert wird.“

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