Die wenigen etablierten Online-Spendenplattformen pflegen ein durchaus partnerschaftliches Mit- und Nebeneinander mit gemeinnützigen Organisationen. Reibungen gibt es ausgerechnet mit Spendenempfängern: Wem gehören die Spenderdaten?

Zwanzig Jahre ist es bereits her, dass die erste Spendenplattform in Deutschland gestartet ist. Seitdem hat sich diese Variante des Fundraising für Spender und gemeinnützige Organisationen zu einem erfolgreichen Modell entwickelt. Spender informieren sich auf Spendenplattformen über aktuelle Projekte und lösen ihre projektbezogene Spende aus.

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Björn Lampe ist Vorstand der Spendenplattform Betterplace. Foto: betterplace.org

Mit etwa 60 Millionen Euro für rund 5.000 soziale Projekte in über 180 Ländern definiert die Spendenplattform Betterplace im elften Jahr nach ihrer Gründung den Maßstab. Der Spendenprozess durchläuft zwei Stufen: Empfänger der Spenden ist im ersten Schritt Betterplace. Hier werden die einzelnen Zuwendungen von Nutzern der Spendenplattform gesammelt, zugeordnet und weitergereicht. Als fördernde Körperschaft tritt Betterplace gegenüber den Non-Profit-Organisationen als Spender für den jeweiligen Gesamtbetrag auf – die Organisationen müssen also jeweils nur eine Spendenbescheinigung ausstellen. Für Björn Lampe, Vorstand von Betterplace, ist das Verfahren zwingend: „Nur so können wir die gewünschte Mittelverwendung sicherstellen.“ Gerade Organisationen, die im Umgang mit Spendern eher ungeübt sind, werden dadurch seiner Einschätzung nach zu einer maximalen Transparenz angehalten und angeleitet. „Das dient der Rechtfertigung gegenüber dem Spender“, so Lampe. Rückendeckung erhält er durch seine Marktbegleiter von „Aid 2 People“. Auch dieses Angebot nutzt dasselbe Verfahren.

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Silvia Starz ist Fundraisingexpertin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz. Foto: FUNDNET

Damit verbleiben die Spenderdaten bei der Plattform – es sei denn, der Spender hat das ausdrücklich anders geregelt. Kritiker sehen sich hier um die Möglichkeit gebracht, ihrerseits Spenderbindung zu betreiben. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) klären jedoch über die „Rolle von Betterplace“ eindeutig auf. Wer lesen kann, ist also klar im Vorteil?

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz generiert Online-Spenden unter anderem über die Spendenplattform von Betterplace. Silvia Starz, Fachfrau für Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit der Berliner Selbsthilfeorganisation, sieht hier die Spendenempfänger in der Pflicht: „Wir haben uns selbstverständlich vorher mit den Geschäftsbedingungen auseinandergesetzt. Wenn man die Vorteile einer solchen Plattform nutzen möchte, muss man sich über die Konditionen im Klaren sein.“

Kritik an Datennutzung durch Spendenplattformen

Einige Organisationen, die sich „im Klaren“ sind, beschreiten hier einen eigenen Weg. Klemens Karkow, Referent für strategisches Fundraising beim Berliner Landesverband des NABU, differenziert an dieser Stelle: „Wir empfehlen Betterplace unseren lokalen Gruppen ohne große Infrastruktur. Diese Gruppen haben meistens keine Möglichkeit, Spenderdaten selbst zu verwalten und Spender aktiv zu betreuen.“ Für alle größeren Einheiten sind für ihn – im Interesse der Spenderbindung – gebührenpflichtige Angebote die erste Wahl. Björn Lampe sind diese Überlegungen nicht fremd: „Besonders von kleinen Organisationen bekommen wir viel Zustimmung für unser Verfahren. Dadurch, dass wir die Administration der Spendenabwicklung leisten, bleibt mehr Zeit für die eigentliche Projektarbeit.“ Gibt es am grundsätzlichen Funktionieren des Abwicklungslungsverfahrens keinerlei Zweifel, bleibt die Spenderbindung das zentrale Thema.

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Klemens Karkow ist Referent für strategisches Fundraising beim NABU Berlin. Foto: NABU e.V.

Befeuert wird die Auseinandersetzung durch die Tatsache, dass Betterplace „seine“ Spender – nach Zustimmung – über andere Projekte informiert. Markus Seidel, Vorstandssprecher der Off-Road-Kids-Stiftung, die sich bundesweit für Straßenkinder und junge Obdachlose einsetzt, ist hin- und hergerissen. Grundsätzlich hält er Betterplace für eine „gute Idee“ und verwahrt sich gegen jeden Verdacht, dass Spendengelder nicht bestimmungsgemäß verwendet werden könnten.

Zur Nutzung der Spenderdaten wird er jedoch deutlich: „Allein unter Fundraisinggesichtspunkten kann ich gar kein Interesse daran haben, dass unsere Spender auch auf Projekte anderer Organisationen angesprochen werden.“ Er verweist darauf, dass dieses Verfahren den empfangenden Organisationen eine reelle Spenderbindung unmöglich macht. Den Hinweis auf die AGB lässt er nicht gelten: „Die Kommunikation der Plattform vermittelt hier ein anderes Bild.“ Björn Lampe möchte das so nicht stehenlassen: „Nein, die Beziehung zwischen Spender und Projekt wird von uns gar nicht in Frage gestellt! Es ist nur so, dass die erste Kontaktaufnahme zum Spender gegebenenfalls über die Plattform erfolgt. Danach erfolgt der Austausch direkt.“ Er verweist auf aktives Feedback von Spendern, dass genau dieser Puffer gewünscht ist: „Nicht jeder möchte nach seiner Spende von der jeweiligen Organisation mit zusätzlichen Informationen zu deren Projekten kontaktiert werden.“

Betterplace: Unnötige Angriffsfläche

Offen bleibt die Frage, ob es sich bei diesen Spendern um die Mehrheit handelt. Vanessa Ulfig, Rechtsanwältin und Partnerin der Gem-Gruppe aus Hamburg, gibt zu bedenken: „Das ganze System funktioniert auf der Basis von Freiwilligkeit.

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Markus Seidel ist Vorstandssprecher der Off-Road-Kids-Stiftung. Foto: Ben Kaiser

Der Spender legt ausdrücklich fest, wie mit seinen Daten verfahren werden soll und ob diese überhaupt an die Organisation weitergegeben werden dürfen. Hier bedarf es der ausdrücklichen Einwilligung.

Juristisch dürfte dies wohl korrekt sein. Das hat jedoch zur Konsequenz, dass die Organisation in vielen Fällen tatsächlich keine Beziehung zu ihren Spendern aufbauen kann. Das größere Problem ergibt sich allerdings daraus, dass in den Hilfethemen von Betterplace wiederholt von „Deinen Spendern“ oder „Deinen Unterstützern“ (die Plattform verzichtet auf das förmliche „Sie“) die Rede ist. Für den Potsdamer Rechtsanwalt Sven Goltz bietet die Plattform hier eine unnötige Angriffsfläche: „Man kann in der Kommunikation mit seinen Partnern nicht ein bestimmtes Bild vermitteln und dies dann mit seinen AGB aushebeln. So macht man alle betreffenden Formulierungen in den Geschäftsbedingungen zu überraschenden Klauseln – und damit schlimmstenfalls nichtig.“

Mehr Reichweite durch Spendenplattformen

Harald Meurer, Gründer des ersten deutschen Spendenportals Helpdirect, hat den Umgang mit den Daten anders geregelt: „Helpdirect stellt Ihnen bei Direktspenden als einziges Spendenportal die vollständigen Spenderdaten zur Verfügung. Die Spendenbeziehung findet immer zwischen Ihnen und dem Spender statt“, heißt es in den Informationen zu seinem Angebot. Auch für ihn ist die Erstspende nicht das eigentliche Kapital, sondern die anschließende Beziehung zum Spender. Er bedauert zudem, dass die weitergehenden Spendenaufrufe von Betterplace thematisch nicht unbedingt einen Bezug zur Erstspende haben. Trotzdem empfiehlt Meurer gemeinnützigen Organisationen, ihre Projekte auf der Spendenplattform einzustellen: „Das erhöht die Reichweite. Aber bitte nicht von der eigenen Website auf Betterplace verlinken – damit leitet man potentielle Spender zwangsläufig auch auf sein Konkurrenzumfeld um.“

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Harald Meurer ist Gründer der Fundraising Plattform Helpdirect. Foto: HelpMundo

Es ist kein Geheimnis, dass sich die stillen Kritiker genau dieser Methode bedienen. Sie wollen keinen Streit mit Betterplace, kommunizieren ihre Fundraisingaktivitäten über die Plattform jedoch nicht.

Björn Lampe bewertet das anders: „Also grundsätzlich: Es werden ausschließlich nur die kontaktiert, die das wollen und freigegeben haben. In der Regel sind die weiteren Ansprachen auch themenbezogen. Es kann natürlich sein, dass wir bestimmte übergeordnete Themen breiter kommunizieren. Außerdem ist es möglich, dass die Kategorisierung einzelner Hilfsprojekte Überschneidungen zulässt.“ Lampe verweist zudem auf das Durchschnittsalter der Zielgruppe, das zwischen 20 und 45 Jahren liegt: „Da gibt es eine hohe Wechselwilligkeit – die binden sich nicht so schnell an nur ein Projekt.“ Lampe betont, dass der Großteil der Marketingaktivitäten außerhalb der Plattform erfolgt. Diese Maßnahmen führen mögliche Spender auf die Plattform und kommen damit allen vertretenen Projekten zugute.

„Falsche Diskussion“ um Daten

Vanessa Ulfig hat die Hauptbedenken im Umgang mit den Spendern selbst: „Der Spender könnte den Eindruck erhalten, darauf vertrauen zu dürfen, dass seine Spende nicht nur bei einer ganz bestimmten Organisation, sondern auch bei dem konkreten Projekt ankommt, das er auf der Website ausgewählt hat. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen ist aber geregelt, dass es keinen Rechtsanspruch auf die Weitergabe der Spende an das ausgewählte Spendenziel gibt. Dadurch kann die Zweckbindung vom Spender nicht nachvollzogen werden. Insofern könnte man die Wirksamkeit einer solchen AGB-Klausel tatsächlich diskutieren. Richtig ist zwar, sich vorzubehalten, die Spende nicht weiterzugeben, wenn beispielsweise die Gemeinnützigkeit weggefallen ist. Allerdings ist das überhaupt Voraussetzung, um auf der Webseite sein Projekt plazieren zu können. Und schließlich erscheint es zweifelhaft, ob die AGB überhaupt wirksam in den Vertrag eingebunden werden. Letztendlich muss der Spender kein Häkchen bei den AGB setzen.“

Für Tim Christian Berger, Partner der Kölner Sozietät HMS Barthelmeß Görzel, geht die Diskussion in eine völlig falsche Richtung. „Die Daten gehören dem Spender, und der Spender verfügt, wie damit verfahren wird.“ Ihm stellt sich dagegen die Frage, ob der Nutzer hinreichend darüber informiert ist, was auf der Spendenplattform mit seiner Zuwendung und mit seinen Daten passiert. „Ich habe Zweifel daran, dass sich jeder Geber im Klaren darüber ist, dass seine Spende beispielsweise nur unter Vorbehalt dem beabsichtigten Empfänger gutgeschrieben wird“, so der Rechtsanwalt weiter. Die wenig erhellende Kommunikation hierzu betrifft laut Berger aber ein anderes Rechtsverhältnis: „Hier streiten sich die falschen Parteien.“ Betterplace profitiert an dieser Stelle von der Zurückhaltung der wenigen Mitbewerber. Bergers Einschätzung dazu: „Eine konkurrierende Plattform etwa könnte diese Irreführung der Spender abmahnen lassen – erfolgreich.“

Ein simpler Button

Jörg Schumacher, Kommunikationsexperte der Hamburger JS Medienberatung, ist unglücklich über diese Diskussion. Seiner Einschätzung nach macht sich die Spendenplattform Betterplace hier unnötig angreifbar: „Ein simpler Button mit der Aufschrift ‚Was passiert mit meinem Geld?‘ könnte im letzten Schritt vor Auslösen einer Spende oder vor dem Einstellen eines Projektes Klarheit bringen. Hier müssten dann eine knappe Erklärung der Spendenabwicklung und eine kurze Begründung hinterlegt sein. Keine langatmigen AGB – eine bessere Postkarte.“ Und Spender, die sich nicht aktiv mit der Spendenabwicklung von Betterplace auseinandergesetzt haben? Konfrontiert mit der Tatsache, dass sie nicht direkt an die ausgewählte Organisation gespendet haben, wurden die Reaktionen der Spender laut. Beim Hinweis darauf, dass die Ausschüttungen unter Vorbehalten erfolgen, liefen die Kommentare verbal sogar aus dem Ruder. Diese Spender haben für alle Beteiligten einen erheblichen Nachteil: Sie beschweren sich nicht, sie bemühen keine Gerichte, sie sind einfach nur sauer – und weg.

Über den Autor:
Markus Kaminski ist freier Journalist. (wortbild.kaminski.sh)

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