Felix Oldenburg möchte mit seinem Social Start-up das Stiften verändern. Was treibt den früheren Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Stiftungen an? Wen sieht er als Vorbild? Und wie genau funktioniert Project Bcause?

Herr Oldenburg, Sie haben im April 2021 die digitale Plattform Project Bcause gegründet, die Gelder für Spenden oder Impact Investments einsammelt und an gemeinwohlorientierte Organisationen weitergibt. Sind Sie ein Digitalunternehmer, ein Fintech-Gründer?

Felix Oldenburg: Ich bin Sozialunternehmer. Ganz klar. Egal, in welcher Rolle ich in meiner Karriere einmal sein werde oder war: Ich sehe meine Aufgabe immer sozialunternehmerisch, transformativ.

Wie kam es zu Idee und Gründung?

Oldenburg: Ich habe in meiner Zeit als Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen gesehen, wie Stiftungen gegründet werden. Mir fiel auf, dass es keine Stiftungen mehr gab, die mit nennenswertem Vermögen gegründet wurden. Es sind in den letzten zehn Jahren keine Stiftungsgründungen mit größeren Vermögen ins Stiftungswesen gekommen – mit Ausnahme der Gründungen der öffentlichen Hand. Das hat mich stutzig gemacht. Daher habe ich damals ein McKinsey-Team gebeten, für den Verband auszuwerten, wie die Privatvermögen gewachsen sind und in welcher Höhe im Vergleich dazu neues Vermögen ins Stiftungswesen gekommen ist. Bei aller Schwierigkeit angesichts der schlechten Datenlage – für die das Stiftungswesen übrigens selbst verantwortlich ist – ergab eine Schätzung, dass über 30 Milliarden Euro an Privatvermögen bei gleichbleibender Großzügigkeit in den letzten zehn Jahren ins Stiftungsvermögen hätten wandern können, dort ist das Geld allerdings nie angekommen.

Felix Oldenburg ist Mitgründer von Project Bcause.

Felix Oldenburg ist Mitgründer von Project Bcause. Foto: Christian Klant

Aus unternehmerischem Antrieb wollte ich wissen, wie ich diese 30 Milliarden Euro aktivieren kann. In diesem Zusammenhang haben wir den Dialog „Neues Geben“ ins Leben gerufen und ein Dinner beim Bundespräsidenten mit einer ganzen Reihe von Gebern der nächsten Generation veranstaltet. Aus diesen Gesprächen ist die Idee zu Bcause entstanden. Nach dem Dinner beim Bundespräsidenten habe ich ein paar Anrufe gemacht und hatte in kürzester Zeit das Geld für die Gründung zusammen. Innerhalb weniger Wochen ist aus ein paar Powerpoint-Folien ein Unternehmen mit einem eigenen Team entstanden. Die notwendige Glaubwürdigkeit aus dem Stiftungswesen und meine frühere Erfahrung als Digitalunternehmer habe ich mitgebracht.

Wie sah und sieht die Finanzierung aus?

Oldenburg: Bisher haben wir vier Millionen Euro an Investitionen für Bcause von 30 Privatpersonen eingesammelt – eine ungewöhnlich große Gruppe an Leuten, die an uns glauben. Warum haben wir das so gemacht, warum haben wir keine Non-Profit-­Organisation gegründet? Weil wir glauben, dass unser Impact viel schneller wachsen kann, wenn wir unabhängiges Wagniskapital organisieren. Das wäre mit Spenden und Förderungen sehr viel schwerer möglich gewesen. Christian Vollmann, Gründer von Nebenan.de und in Deutschland als Business Angel sehr respektiert, war unser erster Investor. Christian hat von Anfang an klar signalisiert, dass Bcause ein ernstzunehmendes Investment darstellt. Bcause muss und kann profitabel werden, um seine Mission zu erfüllen. Diese besteht nicht darin, das Gründungsteam reich zu machen, sondern darin, das Stiften aus seiner Nische in die Mitte der Gesellschaft zu bringen. Das geht nur, wenn man ordentlich finanziert ist. Diese Form von Online-Stiftung und Impact-Depot soll so selbstverständlich werden, wie es heute Online-Aktiendepots sind. Vor 20 Jahren konnte sich auch noch niemand vorstellen, dass diese mal ein Massenprodukt werden.

Wie genau funktioniert Bcause?

Oldenburg: Es ist frappierend einfach, und ich frage mich, warum es bisher noch niemand gemacht hat. Wir verwalten gemeinnützige und nicht gemeinnützige Treuhandstiftungen. Dafür haben wir eine digitale Plattform gebaut, mit der Nutzende und Zustiftende beliebige Beträge in diese Treuhandstiftungen überweisen können. Das wird ihnen als eigenes Depot dargestellt – wie eine Stiftung in der Stiftung, in der Szene verwirrenderweise oft „Stiftungsfonds“ genannt. Neu an all dem ist die Möglichkeit, dieses Depot mit einem digitalen Interface zu versehen. Dabei können Nutzer das hineingespendete Geld nicht nur auf Spendenprojekte, sondern auch in Impact Investments allokieren. Das dritte und letzte Element ist die Idee, dieses Engagement als soziale Plattform mit einer Commu­nity zu bauen. Nutzenden können sich und ihr Engagement, wenn sie möchten, gegenseitig sehen und zu einer Art Impact Influencer werden. Spendensparkonto, Impact-Investing-Vehikel und Influencing-Plattform, das zusammen ist Bcause. Dadurch, dass wir im Backend Deutschlands größte Spendenplattform Betterplace angeschlossen haben, kann man von Bcause aus 30.000 Projekte bespenden, die dort registriert sind. Wir haben damit ein großes Regal an Dingen, die sich über Bcause mit wenigen Klicks finanzieren lassen. In dem Moment, wo ein Projekt, eine Organisation oder ein Impact-Investment-Fonds das erste Mal über Bcause unterstützt wird, wird das Engagement auf der Plattform zudem sichtbar. Die Sichtbarkeit kann jeder Nutzer allerdings selbst steuern. Wir haben uns mit Bcause an mehreren Vorbildern orientiert: Die erste Funktion – eine Art Spendensparkonto oder Treuhandstiftungsfonds – hat das Vorbild Donor Advised Fund. In den USA haben Donor Advised Funds das Stiften in die Breite gebracht, der Markt wird auf 150 Milliarden Dollar beziffert. Da ist der Beweis also gelungen, dass man das Engagement mit Vermögen demokratisieren kann.

„Ich möchte das Engagement mit Geld aus seiner Nische holen.“ Felix Oldenburg

Die Vorbilder im Bereich Impact Investment kommen aus der Fintech-Branche. Dort gibt es Unternehmen wie Moonfare, Capacura und andere. Grundsätzlich geht es darum, den Zugang zu einer ansonsten der breiten Bevölkerung verschlossenen Investmentklasse wie Impact Investing viel einfacher und zugänglicher zu machen. Und die dritte Funktion, nämlich dass man sehen kann, was die anderen machen, hat das Vorbild Neo-Trader. Das ist das, was heute auf Robin Hood oder auf Trade Republic die nächste Gene­ration an Gebenden in ein ganz anderes Investitionserlebnis bringt. Das Ganze ist eine gewaltige Wette. Der Anspruch besteht darin, das Stiften fürs 21. Jahrhundert neu zu erfinden. Stiften ohne Rechtsanwälte, Steuerberater, Gremien, Stiftungsbehörden und Jahresabschlüsse ist möglich. Als Gebender kann man bei Project Bcause außerdem jederzeit seine Meinung ändern. Das sind alles wesentliche Unterschiede zu der herkömmlichen „User Experience“ des Stiftens, wie wir sie heute noch in Deutschland haben. Wir glauben, dass diese Vorgehensweise einen viel größeren Markt für das Engagement mit Vermögen erschließt, als es der Stiftungssektor bisher erschlossen hat.

Kostet die Nutzung von Bcause bisher etwas?

Oldenburg: Bisher ist die Nutzung kostenlos. Wir nehmen freiwillige Transaktionsgebühren. Frei­willige Transaktionsgebühren im sehr niedrigen Prozentbereich, wie sie etwa bei Betterplace typisch sind, wären auch für uns ein guter Weg. Als Nächstes werden wir Premiumfeatures wie die öffentliche Sichtbarkeit eines Bcause-Depots kostenpflichtig machen. Wenn es nicht anders geht, werden wir zudem Einzahlungen mit sehr geringen Gebühren im niedrigen Prozentbereich belegen. Mein Traum ist es aber, dass die Basis-Nutzung von Bcause sowie Transaktionen kostenfrei bleiben. Wir werden sehen, ob das gelingt. Wichtig ist, dass wir zunächst eine Entwicklungs- und Wachstumsphase haben, bevor wir das für unsere Nutzer passende Gebührenmodell finden. Wir sind da nicht dogmatisch.

Wie ist das derzeitige Verhältnis von Spenden gegenüber Impact Investments, die allokiert sind?

Oldenburg: Ungefähr 75 Prozent Spenden und 25 Prozent Impact Investments. Das ist allerdings lediglich der Stand nach den ersten Monaten. Außerdem ist die Community, die wir derzeit auf der Plattform haben, nicht repräsentativ für die Community, die es dort in einigen Jahren geben wird. Wir haben in diesem ersten Jahr, weil es um Vertrauen geht, eher Nutzerinnen und Nutzer angesprochen, die über mehr Vermögen verfügen und bereits einen Namen in der Szene haben. Darunter Verena Pausder, Lea-Sophie Cramer, Eckart von Hirschhausen, Hannes Jaenicke und einige Vertreter der nächsten Generation bekannter Familienunternehmen.

„Ich betrachte Bcause nicht als eine Provokation an den Stiftungssektor.“ Felix Oldenburg

Diese initiale Gruppe ist eine Art High-End-Community. In einem nächsten Schritt werden wir uns für eine deutlich größere Zielgruppe öffnen. Dann werden wir auch andere Nutzungsweisen sehen. Da sind wir offen. Als Digitalunternehmer muss man das auch sein. Wir müssen beobachten, was die Kunden tatsächlich auf der Plattform machen, und die Plattform, wenn nötig, anpassen.

Wie kann diese Idee erfolgreich sein und für die Breite zugänglich gemacht werden?

Oldenburg: Ich glaube, dass sich unser Bewusstsein im Umgang mit Geld momentan und in der nächsten Generation rasant verändert. Das sehe ich durch meine Erfahrung mit Erbinnen und Erben und mit Start-up-Unternehmern. Unsere Kinder werden eine drei bis vier Grad wärmere Welt erleben, mit allen Problemen, die damit einhergehen. Wir müssen jetzt Geld mobilisieren, um die Folgekosten für nachfolgende Generationen zu vermeiden oder zumindest abzuschwächen. Konkret geht es für uns jetzt darum, die Leute zu erreichen, die noch nie von uns oder dem Stiftungsbegriff gehört haben, und diese auf die Plattform zu holen. Das kann mit guter Werbung, Marketing, Testimonials und intelligenten Suchmaschinenstrategien gelingen. Das ist entscheidend, und daran werden wir über den Sommer und im dritten Quartal dieses Jahres arbeiten, so dass wir im vierten Quartal genau wissen, wie wir skalieren können. Das wird die erste Bewährungsprobe für uns. Den Begriffsanker „Stiftung“ gibt es bei Bcause zwar, aber wenn man genau auf die Funktionen der Plattform schaut, dann sieht man, dass diese deutlich über das hinausgehen, was heute eine Stiftung in Deutschland macht.

Ist der Stiftungsbegriff dann überhaupt der richtige?

Oldenburg: Damit ringe ich am meisten. Ich weiß es nicht. Es wird sich herausstellen. Es gibt gute Gründe, die dafür und dagegen sprechen. Ich betrachte Bcause aber nicht als eine Provokation an den Stiftungssektor, sondern vielmehr als eine Erweiterung des Marktes. Ob der Begriff „Stiftung“ dabei eine Hilfe oder eine Last ist, ist für mich tatsächlich noch offen. Ich beobachte beides. In manchen Kreisen hat der Begriff „Stiftung“ noch eine positive Strahlkraft. Ich glaube aber, je weiter wir in Richtung einer Demokratisierung des Sektors gehen, desto mehr wird der Begriff „Stiftung“ zu einer Hürde. Es wird schmerzhaft für Stiftungen, das zu verstehen. Die derzeitige Situation ist allerdings auch nicht zufriedenstellend: Der Begriff wird in Deutschland bisher meist mit Reichtum und dem Vorwurf des Steuersparens assoziiert. Ich möchte das Engagement mit Geld aus seiner Nische in die Mitte der Gesellschaft holen. Dabei werden die Leute selbst entscheiden, wie sie diese Form des Engagements nennen.

Wie ist es gekommen, dass das Stiften in Deutschland so kompliziert, bürokratisch und eine Angelegenheit weniger und reicher Menschen geworden ist?

Oldenburg: Gute Frage. Die eigentliche Tradition des Stiftens ist finanzielle Unabhängigkeit für ein schützenswertes Gut. Sie besteht nicht darin, ein Geldvermögen zu verwalten und aus den Erträgen dieses Vermögens zu spenden. Das ist nicht die ursprüngliche Idee des Stiftens. Um mit Geld Gutes zu tun, braucht man die rechtliche Hülle des Stiftens nicht. Das Internet wird allerdings auch das Stiften verändern. Seit 20 Jahren verändert die Digitalisierung eine Industrie und einen Sektor nach dem anderen. Das Engagement mit Geld wird sich demokratisieren und digitalisieren. Die Dienstleister werden in ihrer bisherigen Gatekeeper-Funktion, wie in jeder Industrie zuvor, dramatisch an Bedeutung verlieren. Sie sind im Internetzeitalter unnötig geworden. Dafür muss ich kein Prophet sein. Ich bin lieber Sozialunternehmer.

Info

Was sind Neo-Trader?

Neo-Trader oder Neo-Broker ermöglichen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zufolge „den Wertpapierhandel über einen browsergestützten Web-Trader und meistens auch über eine Trading-App für das Smartphone“. Im Vergleich zu herkömmlichen Online-Brokern zeichnen sie sich dabei durch niedrige Kosten und Gebühren aus. Damit sich das Geschäftsmodell der Neo-Trader rechnet, bieten sie meist nur wenige Handelsplätze und eingeschränkte Dienstleistungen an. Dabei leitet der Neo-Trader die Aufträge seiner Kunden an die Skontroführer eines Handelsplatzes weiter. Diese erwirtschaften aus der Spanne zwischen Geld- und Briefkurs, in denen die Kundenaufträge gestellt werden, eine Marge. Diese Marge, auch Spread genannt, wird zum Teil von den Skontroführern an die Neo-­Trader zurückgegeben. Die Skontroführer möchten damit gewährleisten, dass sie auch künftig von den Neo-Tradern Kundenaufträge erhalten. Dieser Vorgang wird laut Bafin auch als „Payment for Orderflow“ bezeichnet.

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