Ein durchgestochenes Papier sorgte für Verunsicherung, die Regierung wiegelte ab. Doch auch der Referentenentwurf des Jahressteuergesetzes bringt nichts Nennenswertes in Sachen Gemeinnützigkeitsrecht.

Das Publikum im Kuppelsaal des Hannover Congress-Centrums hatte Katja Hessel auf dem Deutschen Stiftungstag noch mit einem als Ansporn gedachten Applaus verabschiedet. Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, die kurzfristig per Videoschalte für Minister Christian Lindner eingesprungen war, hatte erklärt, der Entwurf zum Jahressteuergesetz werde Vorschläge zum Gemeinnützigkeitsrecht enthalten.

Da war der gemeinnützige Sektor bereits verunsichert, nachdem ein interner Entwurf durchgestochen worden war, wo ebendiese Elemente fehlten. Hessel verwies im Gespräch mit der Bundesverbandsvorstandsvorsitzenden Annette Heuser darauf, dass es noch keine offizielle Version gebe. „Wir werden was zum Gemeinnützigkeitsrecht regeln.“ Doch auch das inzwischen veröffentlichte Papier ist in Sachen Gemeinnützigkeitsrecht so gut wie blank. Der Referentenentwurf enthält lediglich eine Passage zu „Wohngemeinnützigkeit, vergünstigte Vermietung an hilfsbedürftige Personen“.

Nach dem Wechselbad der Gefühle aus Anspannung, Verunsicherung, Beruhigung und nun Enttäuschung fallen die Reaktionen im Sektor entsprechend aus. „Die Ampel-Koalition hatte Fortschritt versprochen. Beim Gemeinnützigkeitsrecht liefert sie Stillstand. Dabei würden neue Zwecke oder Klarstellungen zu politischer Einmischung keinen Steuer-Euro kosten. Das Nicht-Handeln dagegen kostet demokratisches Engagement“, so die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ in einer Pressemitteilung.

„Großes Unverständnis“

Während hinter den Kulissen nach Austausch gerungen wird, positioniert sich der Sektor nach außen deutlich. „Großes Unverständnis“ bekundet das Bündnis für Gemeinnützigkeit, dem unter anderem der Bundesverband Deutscher Stiftungen angehört. Man sei verwundert darüber, „dass der vorliegende Entwurf nicht einmal einen Minimalkompromiss zu den von der Regierungskoalition 2021 verabredeten Reformaufträgen im Gemeinnützigkeitsrecht abbildet“, wird Bündnissprecher Jan Wenzel zitiert. Eine eigens auf Staatssekretärsebene geschaffene Arbeitsgruppe habe seit Herbst 2023 darüber verhandelt, so das Bündnis. Die Verbände des Dritten Sektors hätten dazu pragmatische Lösungsvorschläge gemacht. „Zu unserem Bedauern verhärtet sich der Eindruck, dass es innerhalb der Bundesregierung und insbesondere im federführenden Bundesfinanzministerium schlicht am politischen Willen fehlt, die von uns formulierten Anliegen nicht nur als nachrangiges Partikularinteresse eines Sektors ohne echte Mobilisierungskraft zu betrachten“, so Wenzel.

Mit Alfred Landecker Foundation, Allianz Foundation, Robert-Bosch-Stiftung, Bertelsmann-Stiftung, Maecenata-Stiftung, Rudolf-Augstein-Stiftung, Schöpflin-Stiftung und Stiftung Mercator haben zudem acht bekannte Organisationen einen offenen Brief an Bundeskanzler, Finanzminister und Wirtschaftsminister geschrieben. Sie verweisen auf die Bedeutung lebendiger Demokratie angesichts „multipler Krisen, dem Erstarken von populistischen und extremistischen Kräften sowie der Gefahr einer zunehmenden Spaltung unserer Gesellschaft“ – getragen „auch von engagierten Ehrenamtlichen und einer starken, transparenten und glaubhaften Zivilgesellschaft, die sich mit ihrer Expertise in gesellschaftspolitische Debatten einmischt und in diesem Engagement sicher fühlen kann“.

„Ehrenamt und Engagement würdigen“

Wie im Appell des Bündnisses für Gemeinnützigkeit bitten die acht Stiftungen darum, „im weiteren Abstimmungsprozess des Gesetzentwurfes, zumindest die in Ihrem Koalitionsvertrag 2021 vereinbarten Anpassungen des Gemeinnützigkeitsrechts im Jahressteuergesetz zu verankern, um für Transparenz und Rechtssicherheit zu sorgen und das Ehrenamt und zivilgesellschaftliche Engagement in Deutschland zu würdigen“.

Dabei heben sie drei Punkte hervor: die Klarstellung der politischen Betätigung für mehr Rechtssicherheit sowie die Erweiterung des Zweckkatalogs „zumindest um die Zwecke ‚Förderung des Schutzes und Durchsetzung der Grund- und Menschenrechte‘ und ‚gemeinnütziger Journalismus‘“. Der dritte Punkt ist die „Aufhebung der Ungleichbehandlung von Förderungen innerhalb und außerhalb der Europäischen Union“, bezogen auf die AO-Paragraphen 51 und 58. Man wolle keine Zweiklassengesellschaft unter den Partnern. „Die Welt ist vernetzt“, so die Unterzeichner. Der Vertrauensschutz bei Mittelweitergabe müsse auch außerhalb der EU gelten.

Dennoch besteht Hoffnung: Über den Sommer soll laut Staatssekretärin Katja Hessel die Verbändeanhörung vonstattengehen, über die Sommerpause hinweg dann das Gesetz fertiggestellt werden. Dass sich auch in letzter Minute noch überraschende Änderungen ergeben können, ist für Stiftungen nicht neu. Zuletzt war es bei der Reform zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts zu erleben, deren Regierungsentwurf zudem noch Regelungen zum Infektionsschutzgesetz enthielt. Offenbar dauern die regierungsinternen Abstimmungen noch an. Man erwarte eine sachliche Lösung noch in diesem Jahr, ist zu hören. Dass sich der Einigungsprozess schwierig zu gestalten scheint, konnte man auch an der scharfen Rhetorik aus der Regierungskoalition an den jeweils anderen Positionen heraushören. So hatte etwa der FDP-Bundestagsabgeordnete Max Mordhorst gegenüber der Wirtschaftswoche die Sorge geäußert, „die Linken“ wollten über die Abgabenordnung ihre politische Macht ausbauen, indem sie die im Vergleich zu Parteien großzügigeren Spendenregeln nutzen.

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