Depressionen sind für viele Menschen Alltag, doch der gesellschaftliche Umgang damit ist verhalten. Auch Stiftungen engagieren sich, um dies zu ändern. Sie wollen das Bewusstsein in der Gesellschaft schärfen und strukturelle Barrieren für Betroffene überwinden.

Zwischen 16 und 20 Prozent der Menschen erkranken laut Bundesgesundheitsministerium im Lauf ihres Lebens mindestens einmal an einer Depression oder einer chronisch depressiven Verstimmung. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, ältere Menschen häufiger als junge. Die Robert-Enke-Stiftung und die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention unterstützen Betroffene beim Umgang mit der Erkrankung – sowohl direkt als auch über ihre Netzwerke.

Die Hannoveraner Robert-Enke-Stiftung erinnert an den gleichnamigen Fußballtorwart. Sein Tod im Jahr 2009 erschütterte nicht nur die Welt des Fußballs, sondern lenkte auch die Aufmerksamkeit auf die Situation von Menschen, die mit Depressionen kämpfen. Er war der Impuls für Ehefrau Teresa Enke, im Januar 2010 die Stiftung zu gründen und über die Krankheit aufzuklären. Der Tod der zweijährigen gemeinsamen Tochter Lara ist der Grund dafür, dass die Stiftung sich auch für Kinder mit Herzfehlern engagiert.

„Wenn jeder wüsste, was es bedeutet, psychisch krank zu sein, dann könnte unsere Gesellschaft eine andere sein.“
Jan Baßler, Geschäftsführer, Robert-Enke-Stiftung

Der Schwerpunkt der Arbeit der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention liegt auf der Verbesserung der Versorgung depressiv erkrankter Menschen und der Prävention von Selbsttötungen. Die in Leipzig beheimatete Stiftung wendet sich nicht nur mit Angeboten wie E-Mail-Beratung oder Info-Telefon an Betroffene und Angehörige, sondern will auch gesellschaftlich aufklären: Depressionen würden oft von Scham, Vorurteilen und strukturellen Barrieren begleitet, die eine angemessene Behandlung erschweren. Zum Konzept gehören neben Kampagnen und Pressearbeit auch Fortbildungen für Unternehmen, Organisationen und medizinisches Fachpersonal.

Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) mit Sitz in Berlin ist eine Fachgesellschaft, die sich auf nationaler Ebene der Vermeidung von Selbsttötungen widmet. Die Gesellschaft plant Tagungen zum Wissensaustausch, ist in verschiedenen Netzwerken und Kooperationen im DACH-Raum aktiv und fördert Selbsthilfeinitiativen. „Was wir bei der DGS nicht leisten können, ist direkte Hilfe bei Betroffenen“, sagt Ute Lewitzka, Vorsitzende der DGS und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. „Das gibt die Arbeit aktuell leider nicht her. Wir bekommen jede Woche solche Anfragen, und versuchen dann auch immer, Hinweise zu geben und zu ermutigen. Auch hier könnten wir noch mehr machen – wir brauchten dafür allerdings mehr Ressourcen.“

Aufklärung, Enttabuisierung

Handlungsbedarf sieht Lewitzka auch rechtlich: Sie betont die Dringlichkeit einer gesetzlichen Verankerung der Suizidprävention in Deutschland – und lenkt den Blick auf Faktoren, die die Prävention beinträchtigen könnten. Dazu zählt für sie etwa die Sterbehilfe, eine rechtliche Grauzone in der Bundesrepublik. Hier gelte es aufzuklären, um einen Missbrauch der Spielräume zu vermeiden.

Fußballstiftungen leben von ihrer öffentlichen Bekanntheit, dies sei auch bei der Robert-Enke-Stiftung der Fall, sagt Jan Baßler, Direktor des Niedersächsischen Fußballverbands und Geschäftsführer der Robert-Enke-Stiftung. Finanziell stützt sich die Organisation vor allem auf eine jährliche Basis­finanzierung der Gründer und zusätzlichen Zustiftungen, die jährlich etwa 600.000 Euro ausmachen. Aktives Fundraising betreibe die Stiftung nicht: „Wir wollen mit anderen gemeinnützigen Organisationen nicht um Spendengelder konkurrieren. Denn wir wissen starke Stiftungsgründer an unserer Seite“, sagt Baßler.

Die Stiftung setzt sich für die schnelle Möglichkeit von Erstgesprächen ein. „Wir versuchen, Betroffenen ein zeitnahes Gesprächsangebot zu Spezialisten zu vermitteln“, sagt Baßler. Die Aufklärungsarbeit trage zu einer Enttabuisierung bei: „Auch im Leistungssport werden inzwischen vermehrt Therapeuten und Psychologen beschäftigt.“ Prävention spiele eine wichtige Rolle, auch wenn sie schwer zu messen sei. Die Zielgruppe ist so breit wie die Problematik selbst: Das Angebot nutzen nicht nur Leistungssportler, sondern auch Kinder und Jugend­liche, die zum Beispiel während der Corona-Pandemie Depressionen oder Suizidvorstellungen entwickelt haben. „Verglichen mit 2009 hat sich spürbar viel verändert. Wir sind noch lange nicht am Ziel, aber sicherlich weit gekommen“, sagt Baßler.

Nicht nur für Betroffene

Und nicht nur Betroffene können von der Stiftungsarbeit profitieren – sondern auch deren Umfeld. „Wenn jeder wüsste, was es bedeutet, psychisch krank zu sein, dann könnte unsere Gesellschaft eine andere sein“, sagt Baßler. Es sei von großer Bedeutung, dass Nicht-Betroffene richtig reagieren, wenn Betroffene über ihre Situation sprechen. Deshalb setze die Robert-Enke-Stiftung auch die eigens entwickelte Virtual-Reality-Erfahrung „Impression Depression“ ein. Über diese Anwendung konnte die Stiftung bislang mehr als 10.000 Personen sensibilisieren.

Auch die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention hat sich bewusst für die Rechtsform Stiftung entschieden. So will sie erarbeitete Tools, Programme und Erkenntnisse von Forschungsprojekten dauerhaft sichern. Finanziell stützt sich die Stiftung auf Drittmittel, Förder- und Projektgelder sowie Spenden, sagt Geschäftsführerin Susanne Baldauf. Trotz erfolgreicher Projekte stehe die Stiftung vor allem im Bereich Fundraising vor Herausforderungen – die Stigmatisierung von Depressionen halte Unternehmen mitunter davon ab, öffentlich Unterstützung zu leisten, so Baldauf.

Bei allem noch verbliebenen Aufklärungsbedarf gebe es positive Entwicklungen, so die stellvertretende Geschäftsführerin Ines Keita – etwa eine steigende Bereitschaft, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch die Zunahme der Diagnosen sei – neben anderen/weiteren Faktoren – einem gestärkten Bewusstsein geschuldet. Solche Entwicklungen zählen die beiden Geschäftsführerinnen zu den Erfolgen auch der Arbeit, wie sie die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention leistet. „Mit unserem mehrfach ausgezeichneten und wissenschaftlich evaluierten Vier-Ebenen-Ansatz zur Suizidprävention tragen wir dazu wesentlich bei“, sagt Keita. Dabei ist allen klar: Die Vision einer Welt ohne Suizid bleibt eine Hoffnung. „Doch viele Suizide können mit der richtigen Hilfe verhindert werden“, sagt Ute Lewitzka.

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