Die externen Rahmenbedingungen für internationale Kooperationen im Dritten Sektor verändern sich oft. Das stellt Organisationen vor große Herausforderungen. Der Verein Burundikids und die Karl-Kübel-­Stiftung berichten.

Sam-Duk Patzelt wuchs in Südkorea auf, hatte als junge Frau selbst nur mühsam einen Zugang zu höherer Bildung und Studium erhalten. Heute lebt sie in Berlin und hat ein Vermögen aufbauen können. Eigentlich befindet sie sich im Ruhestand, doch ruhig ist ihr Leben nicht: Sie hatte vor ein paar Jahren die Idee, über eine Plattform Stipendien an junge Frauen und Mädchen in afrikanischen Ländern zu vergeben.

Ihr Weg führte sie zu Engagement Global und der dortigen Servicestelle für Stiftungen und Phil­anthropie. „Wir stellen die Verbindung her“, sagt Fachberaterin Miriam Schwarz, und meint damit das Zusammenbringen von vermögenden Privatpersonen oder Unternehmen mit Organisationen aus dem Dritten Sektor. So war es auch im Fall von Sam-Duk Patzelt.

Sie hatte sich Burundi als Zielland ausgesucht. Der Binnenstaat in Ostafrika zählt mit einem Bruttoinlandsprodukt von 274 US-Dollar je Einwohner im Jahr 2021 zu den ärmsten Ländern der Erde.

Danach stellte Schwarz Patzelt vier unterschiedliche in Burundi tätige Non-Profit-Organisationen vor. Vier bis fünf Vorschläge für mögliche Partnerorganisationen unterbreitet Engagement Global den Geldgebern üblicherweise, erklärt Martin Block, Leiter der Servicestelle: „Nach einer erfolgreichen Kontaktvermittlung geben wir ab.“ Das hat auch rechtliche Implikationen: Verantwortung für den Erfolg eines Projekts kann Engagement Global nicht übernehmen.
Patzelt entschied sich, nach eigener Recherche und Telefonaten, für eine Zusammenarbeit mit Burundikids, einem Verein, der sich für Kinder, Jugendliche und deren Familien in dem ostafrikanischen Binnenstaat einsetzt.

Der richtige Ansatz?

Doch wie setzt man die Kooperation konkret um? Manche Geber belassen es bei einer einmaligen Zuwendung, erklärt Schwarz. Andere engagieren sich auf dauerhafter Basis. Das war auch Patzelts Ansinnen. Sie wollte eine Stiftung gründen, die Stipendien an junge Frauen in Burundi vergeben soll. Schon mit ihrer Stiftungsgründung war Patzelt ein Thema besonders wichtig: die Nachfolge. Die Stiftung sollte auch nach Patzelts Tod im Sinne der Stifterin fortgeführt werden.

Dafür sprach Engagement Global mit Jannis Meng, der sich ehrenamtlich für Burundikids engagiert und die Stipendiaten in Burundi mit betreut. Zunächst war man bei Burundikids vorsichtig. Derartige Anliegen stellen sich oft als „unrealistisch oder nicht ganz ernst gemeint“ heraus, berichtet Meng.

Dennoch fuhr er zusammen mit der Gründerin und Vorsitzenden von Burundikids nach Berlin, lernte Patzelt kennen und ließ sich überzeugen, Mitglied des künftigen Stiftungsvorstands zu werden. „Diese Gelegenheit wollen wir wahrnehmen“, sagt Meng, der am 6. Mai dieses Jahres die Errichtung der Stiftung für die Förderung von afrikanischen Frauen und Waisenkindern mit Patzelt in Berlin gefeiert hat. Von der Idee bis zur tatsächlichen Gründung der Stiftung sind zweieinhalb Jahre vergangen.

Kooperation in der Kooperation

In der Zwischenzeit hatten Meng und seine Kollegen beim lokalen Partner, der Fondation Stamm, vor Ort begonnen, nach Ansprechpartnern für das Projekt zu suchen. Mit den beiden Burundierinnen Nadège Horimbere und Douceline Dukundane haben sie zwei Mitarbeiterinnen der Fondation Stamm gefunden, die die Arbeit vor Ort übernehmen und sich um die Betreuung der Stipendiaten kümmern. Außerdem musste man sich Gedanken machen, welche Kriterien die Bewerberinnen erfüllen sollen, um ein möglichst faires und transparentes Verfahren sicherzustellen. Zudem haben Meng und die Kolleginnen von Fondation Stamm Patzelt überzeugt, auch Männer als Stipendiaten zu berücksichtigen, sofern sie aus sozialen Einrichtungen wie Kinderheimen kommen.

Aufklärungskampagne an einer Schule, ein Projekt der Karl-Kübel-Stiftung auf den Philippinen. Foto: Karl-Kübel-Stiftung

Ende 2021 wurden die ersten acht Bewerberinnen und zwei Bewerber ausgewählt, die Anfang 2022 ihr Bachelorstudium aufgenommen haben. Alle Stipendiaten wurden vorher mit dem nötigen IT-Material ausgestattet. Einige leben nach wie vor bei ihrer Familie, andere sind in angemieteten Unterkünften untergebracht – die Kosten dafür werden ebenfalls durch die Stipendien abgedeckt.

Durch Patzelts Engagement haben mit dem Jahrgang 2023 bisher insgesamt 20 Burundier aus zwei Jahrgängen ein Stipendium erhalten. Bis zur Stiftungsgründung hat Patzelt die komplette bisherige Dauer des Bachelorstudiums aus ihrem Privat­vermögen finanziert. Die Kosten belaufen sich pro Stipendiaten auf circa 3.000 bis 3.500 Euro pro Studienjahr, je nach Fakultät, Studienfach und Wohnort. Neben der operativen Arbeit vor Ort hat Patzelt in Berlin die Gründung der Stiftung vorangetrieben. Das Engagement in Burundi soll dauerhaft sein. Hierfür dürfte auch Patzelts Erfahrung am Kapitalmarkt von Vorteil sein, denn mit den Erträgen aus der Kapitalanlage des Stiftungsvermögens möchte die Stiftung die Stipendien der Burundierinnen finanzieren.

So erfolgreich die Zusammenarbeit zwischen Patzelt und Burundikids bisher verlaufen ist, ohne die Servicestelle von Engagement Global wäre die Kooperation nicht zustande gekommen: „Vernetzung ist unser Ziel“, sagt Block über die 2016 ins Leben gerufene Servicestelle für entwicklungspolitisches Engagement in Rechtsform einer gGmbH. „Wir haben schnell festgestellt, dass es unter Unternehmen, vermögenden Privatpersonen und Förderstiftungen einen großen Bedarf gibt, Destinatäre zu finden.“ Im Fall der Kooperation zwischen Patzelt und Burundikids wurden keine staatlichen Gelder beantragt.

Auch Daniel Heilmann, der bei der Karl-Kübel-Stiftung-für-Familie-und-Kind als Vorstandsmitglied unter anderem die Entwicklungszusammenarbeit und das Fundraising der Stiftung verantwortet, sucht je nach Situation und Bedarf die Zusammenarbeit mit Engagement Global. So werden zurzeit rund 50 Projekte der Stiftung mit Drittmitteln von Engagement Global durchgeführt.

Zwei Formen der Zusammenarbeit

Die Stiftung arbeitet im Ausland vor allem mit kleineren Organisationen aus dem Non-Profit-Bereich zusammen, finanziert deren Projekte und Arbeit. Lokale Berater sind für die Stiftung vor Ort tätig, um nah an den Partnerorganisationen dran zu sein, sagt Heilmann. In Indien unterhält die Stiftung gar ein eigenes Institut. Das hat historische Gründe. Karl Kübel, der die Stiftung 1972 gründete, hatte von Beginn an ein besonderes Engagement in Indien vor Augen. Dem kam die Stiftung nach: 1994 gründete sie die Karl Kübel Foundation India, 1999 das Karl Kübel Institute for Development Education in Coimbatore als Aus- und Weiterbildungsort und Begegnungsstätte.

Auf den Philippinen setzt sich die Karl-Kübel-Stiftung gegen Kinderhandel und Zwangsprosti­tution und für Kinderschutz ein. Dafür hat die Bensheimer Einrichtung in der Vergangenheit NGOs auf Graswurzelebene gefördert. Die Organisationen vor Ort engagieren sich in kleinen geographischen Gebieten, oft nur über drei bis vier Dorfgemeinschaften auf der Inselgruppe. „Wir stoßen zunehmend an Grenzen“, sagt Heilmann über das Engagement, das seit 1997 besteht. Perspektivisch möchte die Stiftung – nicht nur hier, sondern auch für andere Kooperationen – mit größeren Organisationen zusammenarbeiten.

Das hat auch mit dem Umstand zu tun, dass kleinere Organisationen oft weniger professionell und im Vergleich zu größeren NGOs in bestimmten Bereichen unerfahrener sind. In Sachen Monitoring oder administrative Aufgaben blieb in der Vergangenheit beispielsweise ein vergleichsweise hoher Arbeitsaufwand bei der Karl-Kübel-Stiftung hängen. „Das hat bei uns viele Ressourcen gebunden“, sagt Heilmann. Geldgebern wie dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung oder Förderstiftungen sei man ein „engmaschiges Reporting schuldig“.

Der andere Grund des Paradigmenwechsels besteht in der Überlegung, dass sich mit professionelleren Strukturen vor Ort eine größere Wirkung erzielen lässt. „Wir verfolgen mit unserem Engagement einen System-Change-Ansatz“, sagt Heilmann. Ziel ist es, das System vor Ort von innen heraus zu reformieren. Am Ende soll die Zivilgesellschaft vor Ort selbständig in der Lage sein, die gesellschaftlichen Probleme zu lösen.

Dabei ist der Erfolg der Zusammenarbeit zusätzlich von den politischen Rahmenbedingungen vor Ort abhängig. Auf den Philippinen sei die Hilfe ausländischer NGOs unproblematisch, auch weil die philippinische Regierung die Probleme allein nicht in den Griff bekomme, sagt Heilmann. In Indien sieht die Lage anders aus. Seitdem Narendra Modi und seine hindu-nationalistische Partei 2014 an die Macht kamen, hat sich die Gesetzgebung deutlich verschärft, so Heilmann. Das habe auch damit zu tun, dass im indischen Non-Profit-Bereich lange Zeit wenig kontrolliert, Mittel teils zweckentfremdet und Geldwäsche betrieben wurde. Mittlerweile braucht es designierte Bankkonten, um sich weiterhin zu engagieren. „Es ist verständlich, dass die Inder den Sektor erst einmal selbst kontrollieren wollen“, sagt Heilmann. Die Folge ist jedoch, dass Organisationen wie die Karl-Kübel-Stiftung ihr Engagement im Land konsolidieren, zumindest wird es aufgrund der schwierigen Situation aktuell keinen weiteren Aufbau von Projektförderungen geben.

Dynamische Gemengelage

Heilmann beobachtet in Ländern wie Indien, Kambodscha und Indonesien das Phänomen der Shrinking Spaces. Einerseits hat das mit einer teils autoritären Führung in diesen Ländern zu tun. Andererseits steigt mit der Entwicklungsstufe eines Landes auch das Selbstbewusstsein der dortigen Regierungen, sagt Heilmann. Manche Länder werden unabhängiger, bauen eigene staatliche Ressourcen auf, um sich mit bestimmten Problemstellungen auseinanderzusetzen. Ausländisches Engagement ist unter derartigen Rahmenbedingen schnell unerwünscht. Das Überflüssigwerden von internationalen NGOs kann daher auch positiv gelesen werden – nicht nur, weil sich die politischen Rahmenbedingungen vor Ort ändern, sondern auch, weil sich der Bedarf in einem Land gewandelt hat.

„Entwicklungszusammenarbeit ist eine ständige strategische Neuausrichtung“, sagt Heilmann. Die Frage, welche Projekte und Partner die Stiftung weiterhin unterstützt, stellt sich fortlaufend – bis hin zu der Überlegung, in welchen Ländern das Engagement verkleinert oder ausgeweitet wird.

Vertrauen als wichtigste Währung

Neben der eigenen Strategie ist insbesondere Vertrauen in die Partnerorganisationen vor Ort ausschlaggebend dafür, ob eine Kooperation erfolgreich ist oder scheitert. Um dieses Vertrauen sicherzustellen, müssten potentielle Partnerorganisationen in der Regel circa 15 Prozent des Förderbudgets selbst aufbringen, sagt Heilmann. Daran ließe sich erkennen, ob es einer lokalen Organisation ernst mit einer Zusammenarbeit ist.

Doch auch wenn durch die Pandemie oder unerfahrene Kooperationspartner eine Zusammenarbeit nicht oder nur eingeschränkt funktioniert, scheint ein fortdauerndes Engagement unabdingbar – sofern der Bedarf es erfordert und die politischen Rahmenbedingungen es ermöglichen. Auf den Philippinen hat die Karl-Kübel-Stiftung jedenfalls ein erstes Konsortium aus kleineren NGOs gebildet, um mit größerer Wirkung zu einem Systemwandel beizutragen.

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