Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeshaushalt wirft perspektivisch auch für Stiftungen und NGOs Fragen auf, die Fördergelder aus dem Haushalt erhalten. Wie schauen sie auf die finanzielle Unterstützung durch den Staat heute und in den kommenden Jahren? Welchen Stellenwert hat sie für ihre Arbeit?

Fast 2,5 Milliarden Euro umfassen die Gelder, die der Bund in den vergangenen Jahren für gemeinsame Projekte mit Stiftungen investiert hat. Das zeigt die Antwort auf eine Kleine Anfrage der damaligen Fraktion Die Linke aus dem vergangenen Jahr. Die Aufzählung umfasst Förderungen, die die aktuelle Legislaturperiode betreffen, aber nicht in ihr begonnen haben oder enden müssen. Knapp 3,4 Milliarden wiederum flossen zum Stichtag der Antwort in Organisationen oder Programme, die „maßgeblich von privaten Stiftungen gegründet und/oder mit deren Beteiligung betrieben werden“. Ministerien arbeiten in vielen Bereichen mit privaten Stiftungen zusammen. „Dafür ausschlaggebend sind die hohe Expertise und das vorhandene Netzwerk der Stiftungen. Durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Partner sind innovative Lösungsansätze und Synergien möglich. Stiftungen bringen teilweise auch eine eigene Finanzierung mit ein“, sagt Katrin Rupprecht, Referentin für politische Kommunikation im Bundesverband Deutscher Stiftungen.

„Wir werden auch in Zukunft für große Projekte auf staatliche Fördermittel angewiesen sein, aber wir haben die Abhängigkeit schon deutlich verringert.“
Kathrin Succow, Stiftungsratsvorsitzende, Succow-Stiftung

Jan Peters ist Geschäftsführer der Greifswalder Michael-Succow-­Stiftung. Foto: Michael-Succow-Stiftung

Kooperationspartner im 2,5-Milliarden-Topf sind rund 130 deutsche und internationale Stiftungen. Eine davon ist die Michael-Succow-Stiftung, die sich dem Natur- und Klimaschutz widmet. 1,05 Millionen Euro umfasst die zum Zeitpunkt der Antwort berücksichtigte Bundesförderung der Greifswalder, deren Bilanzsumme 2022 rund 4,3 Millionen Euro betrug. „Als operativ tätige Stiftung sind staatliche Zuwendungen sehr wichtig für uns“, sagt Kathrin Succow, Tochter des namengebenden Stifters und Stiftungsratsvorsitzende. „Wir zählen nicht zu den ganz kleinen, aber auch nicht zu den großen Stiftungen, was das Vermögen angeht.“ In großem Maßstab Projekte zu implementieren, sei nur durch Drittmittel wie jene des Bundes möglich, so Geschäftsführer Jan Peters.

Deren Rolle verändert sich. In den Anfangsjahren hätte Bundesförderung den überwiegenden Teil des Budgets ausgemacht, „in den letzten Jahren haben wir immer mehr versucht zu diversifizieren, sowohl über EU-Förderung, internationale Geldgeber als auch über private Drittmittel und Fundraising“, sagt Peters. Man versuche weiterhin, die Mittelquellen zu diversifizieren. „Wir werden auch in Zukunft für große Projekte auf staatliche Fördermittel angewiesen sein“, ergänzt Kathrin Succow. „Aber wir haben die Abhängigkeit schon deutlich verringert, verfügen inzwischen über langjährige Erfahrungen und Netzwerke und können dadurch die Förderinstrumente aussuchen, die zu uns passen.“

Ein Grund für die Diversifikation sind Abhängigkeiten und Aufwand. „Wir beobachten, dass Antrags- und Abwicklungsformalitäten für Bundesmittel immer komplizierter werden, bürokratischer“, sagt Peters. „Das erhöht den Aufwand und vermindert die Planbarkeit.“ Die Haushaltssperre sei zwar ein Beispiel hierfür – „Projekte, die fachlich positiv begutachtet und bewilligungsfähig sind, können nicht bewilligt werden“, so Peters. Doch sei dies nicht grundlegend neu. „Wir haben im Grunde nach jeder Bundestagswahl eine ähnliche Situation. In Zeiten der Regierungsbildung sind alle Neuprojekte gestoppt. Es kann eine Weile dauern, bis Minister und Teams eingesetzt sind.“

Kathrin Succow ist Stiftungsratsvorsitzende der Michael-Succow-Stiftung. Foto: V. Arbes

Grundsätzlich seien die Anforderungen nachvollziehbar, ergäben sich auch aus den Anforderungen des Bundesrechnungshofs. „Wir müssen gerade bei staatlichen Mittel genau sein“, sagt Peters. „Doch mitunter überschießt die Kleinteiligkeit, da könnten aus unserer Sicht manche Bereiche etwas einfacher gestaltet sein, zum Beispiel über Pauschalen.“ Die hohen Anforderungen seien für kleine Stiftungen mitunter schwierig, sagt Succow. „Deshalb ist eine spezifische Fortbildung für kleine Stiftungen so wichtig, um auch langfristig den ständig wachsenden Anforderungen gerecht werden zu können. Glücklicherweise ist die Stiftungslandschaft sehr gut vernetzt, und es gibt mittlerweile adäquate Angebote für Capacity building.“

Der Weg zur Förderung ist auch aus einem weiteren Grund voraussetzungsreich. „Die staatliche Förderung ist mit einem Eigenanteil verknüpft – 10 bis 15 Prozent muss man mitbringen. Für uns als nicht vermögende Stiftung ist das schon eine ziemlich große Herausforderung“, sagt Succow. „Dabei übernehmen wir viele Aufgaben, die der Staat nicht leisten kann oder will, die aber notwendig sind, um seine Ziele zu erreichen. Etwa die Verpflichtungen zum Klima- oder Umweltschutz.“

„Bei uns sind fast alle Projekte mit Bundesmitteln ausgestattet. Damit hebeln wir unsere Mittel.“
Daniel Heilmann, Vorstand, Karl-Kübel-Stiftung

Auch die Karl-Kübel-Stiftung für Kind und Familie erhält Gelder von Bund und Ländern. Sie steht mit knapp 25 Millionen Euro Fördermitteln in der Liste – für Projekte im Zeitraum von 2019 bis 2026. Die Bensheimer Einrichtung ist im In- und Ausland aktiv. Was den Inlandsbereich betreffe, seien Bundesmittel ein wichtiger Finanzierungstopf, aber mit Abstand nicht der größte, so Finanzvorstand Aslak Petersen. „Hier fließen auch Mittel auf Ebene der Bundesländer und Kommunen.“

Hebel fürs Stiftungskapital

Aslak Petersen ist Vorstand für den Geschäftsbereich Inlandsprojekte bei der Karl-Kübel-Stiftung für Kind und Familie in Bensheim. Foto: Karl-Kübel-Stiftung/Thomas Neu

Anders im Bereich Entwicklungszusammenarbeit, den sein Vorstandskollege Daniel Heilmann verantwortet: „Bei uns sind fast alle Projekte mit Bundesmitteln ausgestattet. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung übernimmt 75 Prozent der Kosten, 25 Prozent tragen wir – aus Erträgen der Kapitalanlage oder Spenden oder auch von Projektpartnern in den Ländern, in denen die Projekte durchgeführt werden. Damit hebeln wir unsere Mittel.“

70 bis 80 Prozent der Mittel, die die Karl-Kübel-Stiftung in den vergangenen Jahren im Bereich Entwicklungszusammenarbeit eingesetzt habe, schätzt Heilmann, seien Bundesmittel gewesen. „Über die Stiftung insgesamt sprechen wir von etwas mehr als 50 Prozent des Umsatzes in Form von Bundeszuschüssen. Dazu kommen noch Landesmittel.“ Das bedeute für die Mitarbeiter viel Verwaltungsarbeit. „Unsere Mitarbeiter verbringen gut ihre Hälfte der Zeit mit Dokumentation“, sagt Heilmann. „Das ist nicht immer schön, muss aber so sein. Immerhin sind es öffentliche Gelder.“

Zumal diese in der jüngeren Vergangenheit nur eine Richtung kannten. „Von 2014 bis 2022 hat sich der Betrag, der für private Träger zur Verfügung steht, verdoppelt“, so Heilmann. „Die stetige Steigerung war also kalkulierbar.“ Auch die Mittel für 2024 seien sicher. „Doch das gilt nicht ad infinitum. Ich vermute, dass das bald durchschlagen wird. Ab 2025 haben wir eine völlig andere Welt.“

Michael Heilmann ist Vorstand für den Geschäftsbereich Entwicklungszusammenarbeit bei der Karl-Kübel-Stiftung für Kind und Familie. Foto: Karl-Kübel-Stiftung/Thomas Neu

Man müsse klar sagen, dass Mittel der öffentlichen Hand im Rahmen der Projektfinanzierung zeitlich befristet gegeben werden, so Petersen. „Damit ist keine Garantie verbunden. Das ist das Wesen der Projektfinanzierung.“ Der NGO-Bereich sei dafür da, innovativ zu sein, sagt Petersen. „Impulse reinzubringen, am Puls der Zeit zu bleiben. Meine Auslegung des Gemeinnützigkeitsrechts ist, dass der Gesetzgeber möchte, dass es eine Motivation gibt für, im besten Wortsinn, sehr eigensinnige Ideen.“ Wo hingegen Strukturen entstünden, die sich perpetuierten, drohe die sprichwörtliche „Projektitis“ – die Suche nach Projekten um der Projekte willen. „Zugleich kann man sich natürlich fragen, ob es klug ist, öffentliche Mittel für begrenzte Zeiträume zur Verfügung zu stellen.“

Auch für Heilmann und Petersen gehört die Zweischneidigkeit öffentlicher Mittel dabei zum Arbeitsalltag. „Wir nutzen die Mittel, brauchen zum Beispiel die Verwaltungskostenpauschale von bis zu zehn Prozent, aus der sich viele andere NGOs finanzieren. Wir wollen aber zugleich nicht in eine Abhängigkeit geraten“, sagt Heilmann. „Es sollte nicht sein, dass NGOs auf staatliche Mittel angewiesen sind. Wobei wir aufgrund unseres Stiftungskapitals von knapp 150 Millionen Euro auch in einer guten Position sind.“

Grenzen der Flexibilität

Für kleinere Organisationen wie die Succow-­Stiftung wiegt das Risiko Politik und Verwaltung deutlich schwerer. Sie besetzt Stellen weitgehend projektbezogen, hat aber mit rund 40 fest angestellten Personen auch einen Mitarbeiterstamm, der entlohnt werden muss. In einer Größenordnung, die die Erträge des Stiftungskapitals deutlich übersteigt. Die Zeit zwischen zwei Projekten lasse sich oft durch Zuarbeiten in anderen Projekten überbrücken, aber natürlich nur in Grenzen, sagt Geschäftsführer Peters: „Ich kann niemanden, der in Tadschikistan arbeitet, ins Moor in Mecklenburg-Vorpommern setzen.“

Solche Volatilität hat Auswirkungen auf den Arbeitsplatz Stiftung – kurzfristige Zusagen vertragen sich nicht immer mit dem Erhalt von Strukturen, Strategieplanung und Mitarbeitervereinbarungen. „Das führt zu Fluktuation. Hier geht es Stiftungen nicht anders als anderen NGOs“, sagt Succow. „Wir wollen kein Hire and Fire, sondern langfristige Anstellungschancen“, sagt Peters.

Info

Ausblick

2024 dürften die Einschnitte im Bereich der Projektförderung insgesamt verhältnismäßig überschaubar sein, so Katrin Rupprecht, Referentin für politische Kommunikation im Bundesverband Deutscher Stiftungen – auch durch die geplante Neuverschuldung in Höhe von 39 Milliarden Euro und Rückstellungen in einstelliger Milliardenhöhe. „In der Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts wurden allerdings bereits jetzt im parlamentarischen Verfahren insbesondere die Mittel für die internationale Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe gekürzt. Im nächsten Jahr könnte es anders aussehen. Das Bundesfinanzministerium geht davon aus, dass bei den Haushaltsplanungen für 2025 eine zweistellige Milliarden-Lücke klafft. In Zukunft dürfte es im breiten Feld der Projektfinanzierung schwieriger werden.“

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