Bei der Kapitalanlage gelten immer klarere Regeln, wie Stiftungen investieren: Es muss zu den Werten passen. Doch wie gehen gemeinnützige Organisationen mit Spenden um? Gibt es Unterstützung, die Stiftungen und Vereine nicht annehmen? Und nach welchen Kriterien treffen sie die Auswahl?

Spenden unterstützen gemeinnützige Zwecke, finanzieren etwa Kindergärten, Hilfsangebote oder auch Restaurierungen. Wenn viele geben, um etwas zu bewirken, ist das positiv. Doch wenn es um größere Beträge einzelner Personen oder Organisationen geht, stellen sich schnell Fragen der Wertvorstellung. Das hat etwa die Stiftung Humboldt-Forum im Winter 2021 erlebt, als ein als Unterstützer gewürdigter Bankier eine öffentliche Debatte anstieß. Der fünf Jahre zuvor Verstorbene hatte sich unter anderem fragwürdig zum Völkermord an den europäischen Juden geäußert – und prangte nun, wie alle Spender von Beträgen jenseits der 500.000 Euro, mit Namen und Porträt im Berliner Stadtschloss.

„Es bleibt eine Einzelfallfrage, wir wollten aber einen Rahmen festlegen.“
Michael Mathis, Stiftung Humboldt-Forum

Das Humboldt-Forum distanzierte sich – und hängte auf Wunsch des Spendersohnes die Plakette ab. Später folgten weitere Namen, die politisch nicht zu den Vorstellungen des Humboldt-Forums passten, etwa Waffen-SS-Mitglied Rudolf-August Oetker, der mit seiner Familie als „Stütze der NS-Gesellschaft“ gelten darf, wie ein Gutachten es formulierte, das Familie Oetker selbst nach dessen Tod in Auftrag gegeben hatte.

Die Stiftung Humboldt-Forum reagierte auf die öffentliche Aufregung mit einer Überarbeitung ihrer Spendenrichtlinien. „Wir haben sie etwas konkretisiert“, sagt Pressesprecher Michael Mathis. „Dahinter stand keine große Arbeitsgruppe, sondern es wurde mit unserem Justiziar im Vorstand besprochen.“ Die Richtlinie diene zur Orientierung, betont Mathis. „Es bleibt eine Einzelfallfrage, wir wollten aber einen Rahmen festlegen.“ Der, so war kritisch zu lesen, sei derart breit, dass die katholische Kirche aus dem Spendenregister fallen könnte. „Man bleibt anfechtbar“, sagt Mathis. „Das ist uns bewusst. Mit dem Bezug auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und den darin formulierten Ausschluss aller Formen von Diskriminierung haben wir jedoch eine gute Grundlage für künftige Entscheidungen geschaffen.“

Richtlinien bieten CBM Orientierung

Wer sich im Stiftungssektor umhört, erlebt, dass Spendenrichtlinien mitunter noch ein Randthema sind. Auch stark auf Spendensammlung setzende Organisationen unterschiedlicher Rechtsformen möchten sich nicht unbedingt äußern. Die Christoffel Blindenmission (CBM) gehört zu den Akteuren, die sich Regeln gegeben haben. Hintergrund sei eine Neuaufstellung 2016 gewesen, sagt Tanja Spiegel, Direktorin für den Bereich Institutionelle Geber und Philanthropie bei der CBM und Vorständin der CBM-Stiftung. „Wir haben in diesem Zusammenhang festgestellt, dass wir gewisse Richtlinien brauchen.“ Es sollte Orientierung nach innen und außen sein, erklärt Spiegel. Außerdem wollte die CBM unterschiedliche Prozesse für Spenden und Sponsoring, um den jeweiligen Anforderungen gerecht werden zu können.

Tanja Spiegel ist Direktorin für den Bereich Institutionelle Geber und Philanthropie bei der CBM und Vorständin der CBM-Stiftung. Foto: CBM

Tanja Spiegel ist Direktorin für den Bereich Institutionelle Geber und Philanthropie bei der CBM und Vorständin der CBM-Stiftung. Foto: CBM

Eine solche hat sich die CBM dann 2017 gegeben. In einem detaillierten Prozess habe sie Ausschlusssektoren, Prüfaspekte und unterschiedliche Prüfverfahren festgelegt, die je nach Höhe einer Spende oder eines Sponsorings unterschiedlich intensiv ausfallen. 2021 habe die CBM außerdem den Geschäftsbereich „Institutionelle Geber und Philan­thropie“ ausgegründet, der sich in die beiden Fundraising-Bereiche Privatspender und Institutionelle Geber aufteilt.

So können Großspender beispielsweise medizinische Behandlungen, Infrastrukturprojekte oder die Rehabilitation von Betroffenen unterstützen. Unternehmen bietet die CBM die Möglichkeit, Hilfsprojekte über Geldspenden, Projektförderungen und Sponsoringpartnerschaften zu unterstützen. Zu den institutionellen Gebern zählen neben Behörden wie Bundesministerien oder der Europäischen Union auch Stiftungen, denen die CBM, teilweise über die eigene Stiftung, Beratungs- und andere Dienstleistungen sowie Möglichkeiten zur Projektzusammenarbeit anbietet.

„Heute haben wir einen klaren Prozess“, sagt Spiegel. Der Weg dahin sei jedoch nicht einfach gewesen. Trotzdem musste man „durch den Prozess durch“. Und der war „nicht so einfach oder schnell, wie man sich das vielleicht vorgestellt hat. Wir haben intern kontrovers diskutiert, es gab die Befürchtung, dass großer bürokratischer Aufwand entsteht, der sich nicht rechnet“ – auch aufseiten der Geber. Doch letztendlich befürworteten die meisten Unterstützer die Prüfung, sagt Spiegel. „Viele finden das interessant, wollen ihre Ergebnisse wissen. Wir stellen die Ergebnisse des Compliance-Checks zur Verfügung. Häufig gibt es da auch positive Überraschungen.“ Die CBM orientiert sich bei den Spendenrichtlinien an der Kapitalan­lage, die nach den Richtlinien der Evangelischen Kirche erfolgt – und dreht den Spieß gewissermaßen um. Genauso wenig wie die CBM und ihre Stiftung selbst etwa in Rüstungsunternehmen, Glücksspiel- oder Pornografieanbieter investieren, nehmen sie Geld aus diesen Bereichen an.

Regeln der Kapitalanlage als Vorbild

Nachhaltigkeitsvorgaben und ESG-Kriterien wirken damit auch im Spendenbereich. Und wie bei Investments spielen Daten von Ratingagenturen eine wichtige Rolle. Sie kommen bei Spenden ab 20.000 Euro und Sponsorings ab 5.000 Euro zum Einsatz, darunter prüft die CBM intern – bei Spenden bis 1.000 Euro lediglich per Sichtprüfung. Wie im Kapitalanlagebereich gelten Quotenregelungen: Ab einem bestimmten Prozentsatz von beispielsweise fünf Prozent problematischer Aktivitäten würde die Grenze überschritten. „Alles andere wäre im Fall von Holdingstrukturen schwierig“, sagt Spiegel. Viele Konzerne verfügen über Teilbereiche oder Dual-Use-Produkte, die problematisch sein können, aber nicht müssen.

Der Prüfprozess läuft in zwei Stufen: Sollte keines der Ausschlusskriterien greifen, geht es an die Geschäftspraktiken von Menschenrechten über Arbeitsrechte bis hin zu Governance und Ökologie. Dabei hat das Vorgehen des Vereins nicht nur ideelle Gründe: Der CBM geht es „auch recht egoistisch um Reputationsschutz“, sagt Spiegel. „Wir wollen nicht benutzt werden, um sich die Weste reinzuwaschen.“ Der Aspekt ist ein explizites Ziel der Richt­linie und der „Risikoprüfung Unternehmen“.

Doch was bedeutet die Prüfung in der Praxis? Kann man wirklich auf Spendengelder verzichten? Seit der Einführung der Spendenrichtlinien habe die CBM eine bereits länger bestehende große Kooperation beendet, sagt Spiegel. Das betreffende Großhandelsunternehmen, das aufgrund eines Streits mit den Mitarbeitern in den Schlagzeilen war, habe die Entscheidung kommentarlos akzeptiert. Eine Reaktion habe man ohnehin nicht erwartet: „Es gab ja eine große, öffentliche Kontroverse. Das Unternehmen hatte anderweitig zu tun.“ Die Entscheidung sei wichtig gewesen, um zu zeigen, dass die Richtlinie nicht nur ein Feigenblatt sein soll. Die CBM hat sie auf der Website der Organisation veröffentlicht.

Transparenz ist für CBM entscheidend

Ob andere Unternehmen infolge der Entscheidung Bedenken hatten, die Kooperation mit der CBM zu beenden? Spiegel verneint. Bei Fragen könne man außerdem immer „mit den Unternehmen sprechen, um Verständnis werben“, sagt sie. „Und solche Entscheidungen fallen nicht vom Himmel, sondern wir gehen vorher in die Kommunikation und besprechen das geplante Vorgehen gemeinsam.“ Bei einer Kooperation gehe es „häufig um Transparenz und Klarheit“, sagt Spiegel. „Die sollte man nach Möglichkeit dann auch als Hilfsorganisation selbst liefern.“

Die Entscheidungsmacht sieht Spiegel grundsätzlich mehr auf Seiten der CBM: „Wir können mit Unternehmen unsere Linie verfolgen“, so Spiegel, über die Risikoanalyse, die man vor einer Kooperation durchführt. Eine erfolgreiche Kooperation könne als „Gütesiegel für sozial pflichtbewusste Unternehmen“ verstanden werden, heißt es auf der Webseite der CBM. Die Nachfrage scheint unternehmensseitig jedenfalls da zu sein. Aber es stimme schon: „Man muss es sich vielleicht auch leisten können, nein zu sagen“, so Spiegel.

Und es bleibe ein komplexes, emotionales Thema. „Ich glaube, dass man als Organisation für sich definieren muss, wo die rote Linie ist. Wenn man die hat, funktioniert das Konzept, aber durch diesen Prozess muss man erst mal gehen“, sagt Spiegel. Das gilt auch für die Verstetigung: „Bei kontinuierlichen Kooperationen prüfen wir regelmäßig nach.“ Der Aufwand hierfür halte sich durch eine hohe Automatisierung in Grenzen. Es hätte allerdings auch leicht mehr als eine einzige Trennung von einem Unterstützer werden können. „Wenn wir etwas machen, wollen wir es richtig machen“, sagt Spiegel. „Wir haben das komplette bestehende Portfolio durch den Prüfprozess laufen lassen – und waren froh, dass es uns nicht stärker getroffen hat. Auch bei den Kooperationen, an denen wir ein Fragezeichen hatten.“

Grenzen der Prüfbarkeit

Die Spendenrichtlinie habe jedoch ihre Grenzen. So prüfe die CBM beispielsweise nicht eigens, ob Praxis und Vorgaben bei der Kapitalanlage unterstützender Stiftungen der Spendenrichtlinie entsprechen – ähnlich wie Ratingagenturen immer tiefer in die Produktketten von Unternehmen schauen. Der Aufwand wäre in diesem Fall schlicht zu groß. „Wir können uns nicht bei allen Geldgebern vollständig absichern, aber da, wo wir können, tun wir es“, sagt Spiegel.

Schwierig sei auch die Überprüfung kleinerer Unternehmen und Betriebe. „Da ergibt die Prüfung meist nichts Relevantes“, sagt Spiegel. Einzelpersonen prüfe die CBM erst ab einer gewissen Spendenhöhe. „Das ist auch eine Sache des Datenschutzes – und wäre bei mehr als 500.000 privaten Kleinspendern auch nicht umsetzbar.“ Grundsätzlich gelte: Je bekannter der Geber, desto einfacher falle die Prüfung, weil relevante Informationen öffentlich recherchierbar seien. Bei weniger bekannten Personen und Gebern sei das schwieriger. „Wir schauen aber proaktiv, ob es Kontroversen wie Gerichtsverfahren gibt. Das machen wir nicht jeden Monat, aber es ist eine Absicherung.“ Anders als bei der Stiftung Humboldt-Forum hat die Spendenrichtlinie keine explizit politische Dimension. „Ich fände es schwierig, das schwarz auf weiß festzuhalten. Da sehen wir uns auch nicht – wir haben ein anderes Selbstbild von uns als etwa Aktivisten.“

„Wir schützen uns als NPOs gegenseitig.“
Tanja Spiegel, CBM

Dennoch könnte die bisherige Positionierung natürlich Gegenwind auf Seiten der Kleinspender erzeugen. Was etwa, wenn ein Mitarbeiter eines Unternehmens, das als Spender nicht infrage käme, selbst spenden möchte – und die Ablehnung des Arbeitgebers folgerichtig nicht nachvollziehen kann? „Wir leben alle in dieser komplexen Gesellschaft“, sagt Spiegel. „Es gibt eben ein gewisses Spannungsfeld, das man aushalten muss.“

Und grundsätzlich sei die Überprüfung auch stark im Interesse der Geber – insbesondere mit Blick auf den Dritten Sektor, dessen Reputation für beide Seiten wichtig ist: Akteure und Unterstützer. „In dem Moment, wo wir uns selbst schützen, schützen wir andere Non-Profit-Organisationen ebenfalls – wir schützen uns als NPOs gegenseitig“, sagt Spiegel. Auch wenn es eine hundertprozentige Sicherheit nicht geben könne. Das künftige Handeln von Kooperationspartnern etwa könne die CBM nicht voraussehen. So könnte ein Geber-Unternehmen in der Zukunft beispielsweise in einen Umweltskandal verwickelt sein oder öffentlich durch die Verletzung von Menschenrechten in der Kritik stehen, sagt Spiegel. In einem solchen Fall müsse der Verein angemessen mit der Situation umgehen. Und zwar unabhängig davon, ob es bereits zu einem öffentlichen Skandal gekommen sei oder nicht. „Es hilft nicht, den Mantel des Schweigens darüber zu legen und zu hoffen, dass nichts passiert“, sagt Spiegel.

Info

Wichtiger denn je

Spendenrichtlinien gewinnen dank eines weltweit gestiegenen Volumens an Relevanz: So stellte das Jahr 2021 nicht nur in Deutschland ein „Ausnahmejahr“ dar, auch weltweit wachsen die Summen an, wie aus dem World Giving Index der Chairity Aid Foundation (CAF) hervorgeht: In reicheren Ländern stieg die Spendenquote um durchschnittlich zehn Prozent. In Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen wuchs 2021 im Vergleich die Bereitschaft zur Freiwilligenarbeit und die Hilfsbereitschaft für Fremde – die beiden anderen Indikatoren, anhand derer die CAF den Index bildet – stärker an.

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