Die Wurzeln des Stiftungswesens reichen zurück bis in die Antike. Die Geschichte der deutschen Stiftungslandschaft ist eng verbunden mit der politischen Situation der jeweiligen Zeit. Stiftungen haben dabei bewiesen, dass sie nicht nur Instabilitäten überwinden, sondern auch diversen Hürden trotzen können.

Die Ursprünge des europäischen Stiftungswesens liegen in der griechisch-römischen Antike. Laut Michael Borgolte, Mittelalterhistoriker mit einem Forschungsschwerpunkt auf Stiftungen, geht das römische Stiftungswesen bis ins erste vorchristliche Jahrhundert zurück. Im Römischen Reich entwickelte sich für wohlhabende Bürger eine Art Standespflicht, mit philanthropischen Stiftungen der Allgemeinheit zu dienen. Bedeutende Stifter waren auch die Kaiser seit Augustus (27 v. bis 14 n. Chr.). Stiftungen dienten etwa dazu, Thermen oder Bibliotheken zu errichten oder auch den Straßenbau voranzutreiben. Solche Taten sollten dem Ruhm beziehungsweise Nachruhm der Stifter dienen.

Im Zuge der von Rom durch Soldaten, Beamte, Händler und Kleriker ausgehenden Christianisierung entstand ein christliches Stiftungswesen in Europa, vor allem seit Konstantin dem Großen (gestorben 337). Wann die ersten deutschen Stiftungen entstanden, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Im frühen Mittelalter wurden seit dem 7. Jahrhundert christliche Kirchen- und Klosterstiftungen ins Leben gerufen. Unter Berufung auf das christliche Gebot der Nächstenliebe folgten dann auch karitative Stiftungen, zumeist in Form von Spitälern und Armen- oder Waisenhäusern.

Die verstärkte Urbanisierung im 12. Jahrhundert sorgte dafür, dass immer mehr Bedürftige in die Städte zogen. Die Amtskirche war überfordert damit, die Armen zu versorgen. Stifter oder Stiftergruppen lösten eine regelrechte Welle städtischer Spitäler aus. Das mittelalterliche Motiv für Stifter war laut Borgolte die Heilserwartung. „Stifter wollten mit einer Gründung ihr Seelenheil im Jenseits fördern“, so der Historiker. Sie unterhielten Mönche und Priester, die als Gegenleistung für den Stifter beten sollten. Dies wurde aber auch etwa von Spitalinsassen als Gegenleistung für die Pflege gefordert.

Bildung rückt in den Fokus

Auch die Universitäten des Mittelalters gingen aus Stiftungen hervor. „Ohne Stiftungen hätte es die Universitäten in Deutschland nicht gegeben“, ist sich Historiker Borgolte sicher. Das Bildungswesen war ursprünglich keine Aufgabe von Stiftungen im Mittelalter gewesen. Es war zunächst eine Aufgabe von Kirchen und Klöstern. Nach der Einführung von Pfründen für geistliche Lehrer ab dem 11. Jahrhundert schufen diese zunehmend auch Stiftungen für Studenten, entweder in Form von Pfründen, ähnlich heutigen Stipendien, oder Studienhäusern für bis zu 15 bedürftige Studenten. Die Geschichte der Pariser Universität Sorbonne im 13. Jahrhundert begann als eine solche Stiftung. Ein wesentliches Merkmal von Stiftungen im Mittelalter ist laut Borgolte die Bekämpfung sozialer Defizite, für die es keine anderen Lösungen gab.

Auch wenn zwischen dem 12. und dem 15. Jahrhundert zahlreiche Stiftungen entstanden, war diese Phase nicht ohne Krisen. Schließlich müssen drei Grundvoraussetzungen erfüllt sein, damit Stiftungen entstehen können – Voraussetzungen, die Borgoltes Ansicht nach auch heute noch gelten. Zum einen braucht es einen Überschuss, Kapital, das zum täglichen Leben nicht benötigt wird. Zum Zweiten muss Privatbesitz erlaubt und zum Dritten eine Ordnung vorhanden sein, die es ermöglicht, mit eigenem Kapital zu agieren. Voraussetzungen, die historisch nicht immer gegeben waren.

Laut Michael Borgolte wurden im 12. Jahrhundert Stiftungen gegründet, deren Geschichte sich zum Teil bis zur Gegenwart verfolgen lässt. Ein Beispiel dafür ist das 1176 ins Leben gerufene Magdalenenhospital in Münster, das auch heute noch in abgewandelter Form besteht.

Luther verurteilt Stiftungen

Laut dem Historiker Thomas Adam, der sich mit dem deutschen Stiftungswesen in der Neuzeit befasst, führte die Reformation im frühen 16. Jahrhundert zu einer Erweiterung des Stiftungsbegriffs. Die Reformation brachte die Förderung von Bildung. Martin Luther hatte das Stiftungswesen anfangs abgelehnt, es kam zur Enteignung von Stiftungen, was Bildungseinrichtungen finanzielle Mittel entzog. Doch nachdem er erkannt hatte, dass diese Einrichtungen für die Verbreitung des protestantischen Glaubens unerlässlich waren, rief der Reformator 1524 sogar dazu auf, Schulen zu gründen.

Nach 1815 stand die königliche Legitimität nach dem Ende des seit 962 bestehenden Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation grundsätzlich in Frage. Es entwickelte sich ein regelrechter Wettbewerb zwischen dem Adel und dem Bürgertum um die Kontrolle über die Kultur, insbesondere bei Museen. Nach Ansicht Adams nahm das Stiftungswesen einen zentralen Platz in der Kultur und in der Gesellschaft ein. Nahezu jedes Gymnasium verfügte im 19. Jahrhundert über eine umfangreiche Liste von Stiftungen, die verschiedene Bereiche wie Gehälter, Bibliotheken, Wohnraum für Schüler und Stipendien finanzierten. Zusätzlich finanzierten Stiftungen häufig auch Krankenkassen für Schüler und Lehrer.

Ein prägnantes Beispiel für die Rolle von Stiftern in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts ist für Adam das Museum der bildenden Künste in Leipzig, das 1858 eingerichtet wurde. Stiftungen spielten eine entscheidende Rolle bei der Errichtung des Museums, indem sie beispielsweise den Bau des Gebäudes ermöglichten. Die Besucher des Museums passierten zunächst die sogenannte Wohltäterhalle mit Gemälden der Stifter, bevor sie die eigentliche Kunst betrachten konnten.

„Das Stiftungswesen hat einen entscheidenden Beitrag zur reichen Museumslandschaft in Deutschland geleistet“, ist Adam überzeugt. Zudem hatten die Stipendienstiftungen einen bedeutenden Einfluss auf das Bildungssystem. Zwar dienten die Stipendien oft dazu, die bestehenden sozialen Strukturen aufrechtzuerhalten, da sie nicht an Personen aus der Arbeiterschaft vergeben wurden. Dennoch habe diese Form der Förderung dazu beigetragen, dass das deutsche Bildungssystem nicht noch elitärer geworden sei, als es ohnehin war. Auch Armenfürsorge und Krankenversorgung hätten vom Stiftungswesen profitiert, da viele Krankenhäuser im 19. Jahrhundert durch private Finanzierung entstanden seien.

Bis zum Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 gab es nur sehr wenige rechtliche Bestimmungen, die das Stiftungswesen betrafen. Das 19. Jahrhundert kannte laut Adam lediglich zwei bedeutende Vorschriften: Erstens mussten Stiftungen von der Regierung genehmigt werden, dies war allerdings keine auferlegte Bedingung, sondern vielmehr ein Wunsch der Stifter gewesen, um öffentliche Anerkennung zu erlangen. Zweitens mussten alle Stiftungsgelder mündelsicher angelegt werden. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde diese Definition immer stärker eingeschränkt. Gegen Ende des Jahrhunderts bedeutete dies, dass Kapital in Staatsanleihen und Grundbesitz investiert werden musste. Auch diese Regelung entsprach den Vorstellungen vieler Stifter, da eine sichere Anlage eine ewige Existenz der Stiftung versprach und der Staat als eine Art Schutzpatron fungierte.

Stiftungskapital als stille Reserve des Staates

Durch diese Vorgaben erwiesen sich Stiftungen als äußerst profitabel für das Deutsche Reich ab 1871, da es durch die Anleihenregelung vom Stiftungskapital profitierte. Die Gelder mussten dauerhaft in Staatspapiere investiert werden. Wenn Stiftungen Staatspapiere erwarben, die eine gewisse Laufzeit hatten, mussten sie nach der Laufzeit gleich wieder in andere Staatspapiere umgetauscht werden. Der Staat war nicht verpflichtet, die Gelder zurückzugeben, sondern nur Zinsen zu zahlen. Dadurch entwickelte sich das Stiftungskapital zu einer stillen Reserve für die Reichsregierung und die staatlichen Behörden. Dies war laut Adam auch einer der Gründe, warum es zu jener Zeit nur wenige Steuererhöhungen gab. Laut Schätzungen des Historikers erreichte das deutsche Stiftungswesen kurz vor dem Ersten Weltkrieg ein Volumen von 50 Milliarden Mark, wodurch es das umfangreichste Stiftungswesen der Welt war, weit vor den Vereinigten Staaten.

Im 20. Jahrhundert setzte ab den 1920er-Jahren ein Abwärtstrend im Stiftungswesen ein, wobei laut Adam die Hyperinflation nicht die Hauptursache war, sondern vielmehr das Gesetz über die Ablösung öffentlicher Anleihen aus dem Jahr 1925. Dieses Gesetz reduzierte den Wert aller Staats- und Kriegsanleihen auf 2,5 Prozent ihres Nennwerts, was bedeutete, dass eine Anleihe im Wert von 100 Mark nur noch 2,50 Mark wert war. Durch diese Entwertung entledigte sich die deutsche Regierung praktisch ihrer Schulden. Sowohl Stiftungen als auch die gesamte Mittelschicht mussten die Last der Verschuldung tragen, da ihre Ersparnisse größtenteils in nun wertlosen Wertpapieren investiert waren. Es gab zahlreiche Institutionen, die stark von Stiftungen abhängig waren und durch den Rückgang des Stiftungswesens in den 1920er-Jahren praktisch vor dem Bankrott standen. Infolgedessen musste der Staat diese Institutionen stützen.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 war erstmals festgelegt worden, dass Stiftungen aufgelöst werden können, wenn sie eine potentielle Gefahr für das Gemeinwohl darstellen. Dabei wurde nicht klar definiert, was genau unter Gemeinwohl zu verstehen war. 1924 weitete sich die Befugnis dahingehend aus, dass Stiftungen von staatlicher Seite aus nun übernommen werden konnten. Es folgten Zusammenlegungen und Auflösungen insbesondere abhängiger Stiftungen, bisher verwaltet von Gymnasien, Universitäten oder Museen. Durch die Anonymisierung von Stiftungen, die vorher zumeist nach dem Stifter benannt wurden, schwand laut Adam die Motivation zum Stiften. Denn Stifter hätten sich auch immer in das öffentliche Gedächtnis der Gesellschaft einschreiben wollen.

In den 1930er-Jahren begann eine langsame Erholung des Stiftungswesens, allerdings auf sehr niedrigem Niveau. Gleichzeitig leitete der Nationalsozialismus jedoch die Auflösung jüdischer Stiftungen ein. Sie machten laut Thomas Adam etwa fünf Prozent des deutschen Stiftungswesens aus. Diese Entwicklung erstreckte sich über einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren. Dies hatte auch damit zu tun, dass Institutionen, die von jüdischen Stiftungen unterstützt wurden, kein Interesse an deren Auflösung hatten.

Der Zweite Weltkrieg traf vor allem Stiftungen, die ihr Kapital in Immobilien investiert hatten, stark. Einige überlebten den Krieg, doch die Rechtsform stieß vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren auf Ablehnung – auch in Westdeutschland. Stiftungen galten als veraltet, es dominierte ein starker Staat, der alle Aufgaben der Stiftungen übernahm. Es herrschte die Ansicht, dass niemand in einer demokratischen Gesellschaft durch finanzielle Einflussnahme Privilegien erlangen sollte.

Schwierige Voraussetzungen in der DDR

Die DDR-Führung versuchte systematisch, das Stiftungswesen zu zerstören. Da es kein offizielles Stiftungsregister gab, erfassten die Behörden Mitte der 1950er-Jahre alle Stiftungen auf dem Gebiet der DDR. Es folgten Maßnahmen, um sie zu schließen oder zusammenzulegen. Als Grundlage dienten das Bürgerliche Gesetzbuch und die staatliche Befugnis aus dem Jahr 1924, Stiftungen zu übernehmen. Doch auch in der DDR überlebten einige Stiftungen – in den 1970er-Jahren gab es noch mehr als 1.000 Stiftungen. Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre entstanden sogar neue. Da das Zivilgesetzbuch von 1976 keine Regelungen für Stiftungen enthielt, griffen Stifter auf andere Gesetze zur Rechtfertigung für die Stiftungsgründung zurück.

Im Jahrzehnt der Wiedervereinigung erlebte das Stiftungswesen größere Veränderungen. Sie hatten, so Rupert Graf Strachwitz, der sich seit langem wissenschaftlich und praktisch mit dem Stiftungswesen beschäftigt, neben größerem bürgerschaftlichem Engagement und mehr privaten Initiativen auch die großen Haushaltsprobleme Deutschlands in dieser Zeit als Ursache. „Stiftungen gerieten immer mehr als Ersatzfinanziers ins Visier der Politik“, so Strachwitz. Der Staat habe für das Stiften geworben und manche Akteure im Staatsbereich hätten ernsthaft geglaubt, Stiftungen könnten wesentliche Teile der öffentlichen Aufgaben finanzieren. Dies sei, so Strachwitz, eine Illusion gewesen, die man jedoch erst viel später bemerkt habe.

Verstärktes politisches Engagement

In den 1990er- und frühen 2000er-Jahren hat sich das Spektrum der Stiftungszwecke erweitert. Erstmals haben Stiftungen den Fokus auf Umwelt- und Naturschutz gerichtet. Ab den 1990er-Jahren haben sich Stiftungen vermehrt mit politischen Themen beschäftigt und eine aktive Beteiligung an gesellschaftlichen Entwicklungen beansprucht. Ein Vorreiter in diesem Bereich war laut Strachwitz die Bertelsmann-Stiftung, die von ihrem Stifter klare Anweisungen erhalten habe, sich zu engagieren. Sie hat Konferenzen und Symposien zur Rolle des Stiftungswesens in der Gesellschaft organisiert. Darüber hinaus hatten sich neben anderen auch die Körber-Stiftung mit ihren Bergedorfer Gesprächen und die Bosch-Stiftung mit ihren Programmen für deutsch-französische und deutsch-polnische Beziehungen in dem Feld hervorgetan.

In den frühen 2000er-Jahren hatten neben der Arbeit der Bundestags-Enquetekommission zur Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements zwei Reformen das Stiftungswesen beeinflusst: eine Änderung des Stiftungssteuerrechts 2000 und die erste kleine Modernisierung des Stiftungsrechts 2002. Diese Reformen sind auf eine Erbengeneration und auf eine stärkere Wahrnehmung der Stiftungen in den Medien getroffen. All dies führte laut Strachwitz zu einem sprunghaften Anstieg der Beliebtheit von Stiftungen und einem regelrechten Gründungsboom.

Laut dem Bundesverband Deutscher Stiftungen verzeichnete man von 1990 bis 2001 einen starken Anstieg an Stiftungsneugründungen. Das Jahr 2007 verzeichnete einen Rekord mit 1.134 Neuerrichtungen, begleitet von einer weiteren Reform des Stiftungssteuerrechts. In den folgenden Jahren flachten die Zahlen ab. 2022 wurden insgesamt 693 neue Stiftungen gegründet. Der Stiftungsbestand ist seit 1990 kontinuierlich angewachsen, von knapp 10.500 auf rund 25.200 Stiftungen im vergangenen Jahr.

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