Mit der Reform des Gemeinnützigkeitsgesetzes hat Österreich Wendigkeit bewiesen. Auch für die rund 750 gemeinnützigen Stiftungen des Landes sind durch mehr Rechtssicherheit und dauerhaften Zugang zur Spendenabsetzbarkeit einige Rahmenbedingungen verbessert worden. Reichen die neuen Regelungen, um einen Boom auszulösen, wie ihn der Verband für gemeinnütziges Stiften prognostiziert?

Auf „fruchtbaren Boden für mehr philanthropisches Engagement ab 2024“, freut sich Katharina Turnauer, Präsidentin vom Verband für gemeinnütziges Stiften in Österreich. Sie gehört zu denjenigen, die angesichts der Reform des Gemeinnützigkeitsgesetzes mit Begeisterung den kommenden Entwicklungen im Sektor entgegenschauen. „Insbesondere die künftig zehnjährige Vortragsmöglichkeit der Stiftungszuwendungen und die Überführung der bislang einjährig verlängerten Spendenabsetzbarkeit in Dauerrecht“, hebt sie hervor.

Die neuen Rahmenbedingungen in Spenden- und Stiftungsrecht im Nachbarland bieten Anreize, die es so vorher nicht gab. Stiftungen können nun etwa bereits in den ersten Jahren nach Gründung das Stiftungskapital für gemeinnützige Zwecke nutzen, nicht nur die Erträge.

Gemeinsame Interessenvertretung

Dem ging langjährige Arbeit voraus. Ein Meilenstein war 2022 die Gründung des Bündnisses für Gemeinnützigkeit mit über 3.000 Organisationen und 14 Dachverbänden. „Das Bündnis ist erstmals übergreifend für alle Arbeitsfelder des gemeinnützigen Sektors eine gemeinsame Interessenvertretung“, sagt Geschäftsführer Stefan Wallner. „Das Neue daran ist, dass die gemeinnützigen Stiftungen jetzt genauso vertreten sind wie die großen Dachverbände. Auch der Fundraisingverband Austria ist mit dabei, mit vielen Mitgliedern. Damit bekommt der Sektor ein ganz anderes Gewicht gegenüber der Politik.“

„Der Sektor ringt um Mitarbeiter. Da gibt es einen enormen Wettbewerb, zum Beispiel um die gesellschaftliche Bedeutung der Anliegen in den verschiedenen Arbeitsfeldern und deren öffentlichen Stellenwert.“
Stefan Wallner, Bündnis für Gemeinnützigkeit Österreich

Auch die Ausweitung und Vervollständigung der Spendenabsetzbarkeit hat das Bündnis mit vorangebracht – und die Lücken im Bildungsbereich, im Sport, in der Kultur, im Tierschutz und bei den Menschenrechten verringert. Spendenabsetzbarkeit heißt auch Entbürokratisierung und administrative Vereinfachungen, so Wallner. „Der Sektor ringt um Mitarbeiter. Da gibt es einen enormen Wettbewerb, zum Beispiel um die gesellschaftliche Bedeutung der Anliegen in den verschiedenen Arbeitsfeldern und deren öffentlichen Stellenwert.“ Waren es vor der Reform etwa 6.000 Organisationen, die von der Spendenabsetzbarkeit profitiert haben, hat sich deren Anzahl jetzt auf fast 45.000 erhöht. „Damit fällt auch eine über Jahre praktizierte, absurde Benachteiligung von Privatstiftungen, die Bildungsvereine, Schulen oder elementarpädagogische Einrichtungen unterstützen, weg. Diese mussten bisher 27,5 Prozent von ihrer gemeinnützigen Ausschüttung an Steuern abführen“, so das Statement des Verbands für gemeinnütziges Stiften.

Schutz für demokratische Vielfalt

Tatsächlich waren Stiftungen der Treiber für die Entwicklung der Spendenabsetzbarkeit, wie auch Günther Lutschinger weiß. Das Vorstandsmitglied des Bündnisses für Gemeinnützigkeit war mehr als 15 Jahre lang Geschäftsführer des Fundraisingverbands und ist seit Januar geschäftsführender Vorstand des Verbands für gemeinnütziges Stiften. Für ihn geht es darum, dass jetzt auch Zwecke begünstigt und gleichgestellt sind, die das Land in seiner demokratischen Vielfalt schützen können. Er war Teil des Beratergremiums, das die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts maßgeblich mitgestaltet hat. Dementsprechend lobt er die neue Flexibilität, die Stifter jetzt haben. „Viele, die stiften, überlegen sich oft nicht, was sie denn eigentlich in den nächsten fünf, zehn Jahren wollen. Hier möglichst viele Freiräume zu schaffen, war eine grundlegende Motivation.“ Jetzt ist ein längerfristiger Aufbau des Stiftungsvermögens ebenso realisierbar wie die zeitnahe Mittelverwendung, etwa in Notsituationen.

„Der Staat hat jetzt seine Verantwortung wahrgenommen und ist in Vorleistung getreten. Das ist ein Vertrauen in die Stifter.“
Günther Lutschinger, Fundraisingverband Austria 

Lutschinger weiß auch von Reformen beziehungsweise entsprechenden Versuchen, bei denen in der Vergangenheit schlussendlich Kompromisse eingegangen worden sind, die Stifter frustriert hatten. So gab es mit der Reform 2015 zwar auch wahrnehmbare Verbesserungen, doch was jetzt geschafft worden ist, ist noch mal ein Quantensprung. Aber: Nutzen Stifter die neu gewonnene Freiheit? Wird das überhaupt als Freiheit wahrgenommen? „Das ist der spannende Moment. Der Staat hat jetzt seine Verantwortung wahrgenommen und ist in Vorleistung getreten. Das ist ein Vertrauen in die Stifter. Jetzt müssen diese beweisen und zeigen, dass sie damit auch wirklich arbeiten können.“

Bildungsbereich im Fokus

Die neue Spenden- und Stiftungsbegünstigung wirkt sich nicht nur auf den Bereich der Gemeinnützigkeit aus. 250 Millionen Euro lassen sich laut Prognose an zusätzlichen privaten Mitteln mobilisieren – pro Jahr. Diese Einschätzung beruht auf Analysen des Instituts für Wirtschaftsforschung Eco Austria, denen ein Vergleich der Situationen im DACH-Raum zugrunde liegt. Als Fokus wurde dabei der Bildungsbereich als bevorzugtes Feld für neue Gelder ausgemacht. Das Ergebnis: Allein im Bildungsbereich werden für Österreich zusätzliche Mittel in Höhe von 40 bis 50 Millionen Euro erwartet.

Bis zur „Philanthropie des Gebens“, auf die auch Katharina Turnauer hinarbeitet, ist es aber noch ein Stück. Das zeigt auch eine Erhebung des Instituts für Höhere Studien Wien. Unter dem Titel „Wie kann eine Kultur der Philanthropie aufgebaut werden? Verhaltenswissenschaftliche Maßnahmen mit Fokus auf Vermögende“ wurden 35 Maßnahmen für die Zukunft entwickelt. Nicht befragt werden konnten Vermögende, die bislang nicht als Stifter oder anderweitig Gebende aufgetreten sind. Trotzdem ist eindeutig ablesbar: Der Staat wird in die Verantwortung genommen. Der einzelne Bürger eher nicht. Unternehmerische Aktivitäten scheinen da ausreichend als Beitrag für die Gesellschaft. Das Motto: „Ich zahle Steuern. Mehr Engagement braucht es von meiner Seite her nicht.“ Diese Tatsache, so Lutschinger, spricht definitiv gegen einen baldigen Boom bei den Gründungen von Stiftungen.

Gleichzeitig gibt es Perspektiven, die anders gestaltet sind. „Wer ausschließlich in Österreich sozialisiert ist, ist es gewöhnt, dem Fiskus die Steuern abzuzahlen und alle sechs Jahre oder fünf Jahre zu wählen. Dazwischen will der Staat von dir in Ruhe gelassen werden und du willst vom Staat in Ruhe gelassen werden“, so Lutschinger. Immer mehr Menschen aber haben auch in Ländern wie den USA oder der Schweiz gelebt, wo die Spenden- und Stiftungskultur eine andere ist. „Wir brauchen in Österreich nicht mehr Geld, weil wir nicht genug Geld haben, sondern wir brauchen engagierte Bürger. Und jetzt geht es darum, sozusagen aus den Untertanen auch engagierte Bürger zu machen.“

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