Regulierung und Regularien beschäftigen viele Stiftungen – von der allgemeinen Stiftungsführung bis zur konkreten Kapitalanlage. Dabei genügt als oberste Verhaltensregel oft der gesunde Menschenverstand, wie der jüngste Gesprächskreis von DIE STIFTUNG zeigt. Von Armin Häberle

Stiftungsvorstände und Anlageverantwortliche sehen sich im Stiftungsalltag oft einer scheinbar unlösbaren Aufgabe gegenüber: Sie sollen sicherstellen und nachweisen, dass sie in der Stiftungsorganisation rechtlichen Vorgaben wie zum Beispiel den immer strengeren Datenschutzanforderungen nachkommen oder in der Vermögensanlage keine vermeidbaren Risiken eingehen. Niemand aber – vor allem nicht die Stiftungsaufsicht oder der Gesetzgeber – können ihnen sagen, was genau das in der konkreten Ausgestaltung bedeutet.

Christoph Hohenegg (Kanzlei von Seelstrang & Partner) wirbt für klare Strukturen.

Die Folge sind in der Anlagestrategie häufig besonders defensive Portfolien, die durch oft geringe Erträge ihrerseits die Umsetzung der Stiftungsziele immer schwieriger machen. Und in der allgemeinen Stiftungsführung werden zum Teil umfangreiche Compliance-Systeme eingeführt, die den Nachweis rechtskonformen Arbeitens erleichtern sollen, häufig aber weit über die tatsächlichen Bedarfe einer Stiftung hinausgehen. Dabei könnte in beiden Fällen die Rückbesinnung auf den gesunden Menschenverstand einen Großteil der Anforderungen erfüllen.

„Umfangreiche Compliance-Systeme bringen nichts, wenn sie im Alltag nicht gelebt werden“, sagte Christoph Hohenegg von der Kanzlei von Seelstrang & Partner beim Gesprächskreis Stiftungsfonds in München. Wichtiger sei, für kritische Prozesse und Aufgaben klare Verantwortlichkeiten zu benennen und Mitarbeiter entsprechend zu befähigen, diese rechtskonform auszuüben. „Wenn das in Handlungsanweisungen verpackt wird, die von Juristen für Juristen geschrieben werden, die aber kein Mitarbeiter versteht oder befolgt, hilft das niemandem“, so Hohenegg. Umgekehrt müsse ein Mitarbeiter auch nicht sofort entlassen werden, nur weil er einmal nicht rechtskonform gehandelt habe. Vielmehr liege es an der Stiftung, dann sicherzustellen, dass der Fehler nicht wieder passiere – zum Beispiel durch Nachschulungen oder Prozessanpassungen.

Allgemeine Verunsicherung

Klaus-Dieter Erdmann (Asset Standard) führt in die Fondsmaterie ein.

Klaus-Dieter Erdmann führt in die Fondsmaterie ein.

Auch im Bereich der Kapitalanlage ist die Verunsicherung im Stiftungssektor noch immer groß, wie vor allem Stiftungsbehörden auf die Anlagestrategie blicken. Dabei führt auch hier „der gesunde Menschenverstand deutlich weiter, als viele glauben“, so Klaus-Dieter Erdmann von Asset Standard. Das Wichtigste sei eine breite Aufstellung der Kapitalanlage, in der schwache Performance in einem Bereich durch gute Performance an anderer Stelle ausgeglichen werden kann. „Es wird nicht die eine Anlage geben, die immer optimale Ergebnisse liefert,“ so Erdmann. Dies zu verstehen, die Anlage entsprechend langfristig und diversifiziert aufzustellen und die Entscheidungen sachlich zu dokumentieren, seien die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vermögensanlage wie auch für konstruktive Diskussionen mit der Stiftungsaufsicht.

„In Deutschland ist immer noch die Mär weit verbreitet, die Stiftungsaufsicht akzeptiere nur 30 Prozent Aktienquote – aber das stimmt schlicht und ergreifend nicht“, bestätigte Tom Friess vom VZ Vermögenszentrum. Was die Stiftungsaufsicht erwarte, seien eine durchdachte Strategie und eine nachvollziehbare Kommunikation. Auch hier klang wieder durch: Es kommt darauf an, dass der Stiftungsvorstand sich mit Verstand und Verantwortung der Herausforderung stellt, nicht dass er oder sie voraussehen kann, wie sich eine einzelne Anlage de facto entwickeln wird.

Denn dass Stiftungsmanager die Zukunft nicht vorhersehen können, legt ihnen niemand zur Last. Das entbindet sie aber nicht von Verantwortung, nach bestem Wissen und Gewissen der Aufgabe nachzukommen, die sie in einer Stiftung übernommen haben – auch und gerade wenn die Zeiten in der Vermögensanlage unbestritten immer ungemütlicher werden. Die Antwort hierauf kann jedoch eben nicht die Untätigkeit sein – denn diese bietet angesichts negativ rentierender Bundesanleihen und einer auf absehbare Zeit fortgeschriebenen Niedrigzinspolitik der Zentralbanken lediglich die Sicherheit, inflationsbereinigt mit hoher Wahrscheinlichkeit Geld zu verlieren.

Stiftungen profitieren mehrfach

Vielmehr müssen sich Stiftungen in dieser neuen Normalität noch bewusster werden, dass gerade sie über zwei extrem wertvolle Assets verfügen: Vermögen und Zeit. Ihr Vermögen ermöglicht es ihnen, zu investieren, ohne dafür Schulden aufzunehmen. Hohe Immobilienpreise beispielsweise sind vor allem dann gefährlich, wenn Anleger – insbesondere Privatpersonen – sich für die Investition oft erheblich verschulden und der Wert ihres Investitionsobjekts im Nachgang fällt. Stiftungen dagegen können möglichen Preiskorrekturen mit einer gewissen Gelassenheit begegnen, weil ihr Vermögensstock und ihr langfristiger Zeithorizont ideal sind für Anlageklassen wie Immobilien oder Aktien. „Das gilt insbesondere, weil die Volatilität nach Jahren der ‚Moderation‘ in den kommenden Jahren wahrscheinlich wieder zunehmen wird“, sagte Daniel Blum von Jupiter Asset Management.

Diskussion und Netzwerken zwischen den Vorträgen

Stiftungen profitieren aber auch davon, dass sich immer mehr Anbieter mit unterschiedlichen Anlagekonzepten um sie bemühen. Gerade weil simple Bundesanleihenportfolien nicht mehr funktionieren, lohnt es sich für Anbieter überhaupt, sich über eigenständige Ansätze zu differenzieren. Das erhöht den Wettbewerb und bringt Stiftungen mehr Auswahl. Nordlux Vermögensmanagement beispielsweise verfolgt eine aktive Rentenmanagement-Strategie. „Mit der Abkehr von klassischen Buy-and-Hold-Ansätzen lassen sich auch in schwachen Rentenmärkten noch attraktive Renditen erzielen“, sagte Stefan Keil beim Gesprächskreis Stiftungsfonds. Derweil beobachtet Richard Schmidt von der DJE Kapital AG ein immer stärkeres Interesse von Stiftungen an Nachhaltigkeitsfragen und zeigte auf, wie sich diese Anforderungen umsetzen lassen. Wobei auch hier wieder der gesunde Menschenverstand als Referenz diente: „Nachhaltigkeit ist eigentlich nur der Weg zurück zum verantwortlichen Unternehmertum, wie es früher selbstverständlich war. Das in den Anlagestrategien gerade von Stiftungen zu berücksichtigen, ist nur vernünftig.“

Präsentationen zum Gesprächskreis finden Sie hier:

Nächster Gesprächskreis Stiftungsfonds in Essen

Der nächste Gesprächskreis Stiftungsfonds wird am 22. Oktober 2019 in Essen stattfinden. Mehr Informationen gibt es unter: https://www.die-stiftung.de/event/gespraechskreis-stiftungsfonds-essen

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