Passive Investmentstrategien haben im Zuge der Niedrigzinsphase viel Aufmerksamkeit erfahren – und damit auch das Anlagevehikel Exchange-Traded Funds (ETFs). Michael Geister von VanEck und Bernhard Matthes von der Bank für Kirche und Caritas stellen ihre Sichtweisen auf das Thema dar.

Pro ETF: „Prädestiniert für die Anlage von Stiftungsvermögen“

Exchange-Traded Funds (ETFs) sind ein beliebtes Mittel, passiv und zugleich breit diversifiziert anzulegen. Auch für Stiftungen sind sie sehr gut geeignet. Von Michael Geister

Michael Geister ist Vertriebschef für Deutschland und Österreich bei VanEck. Foto: VanEck

Das Niedrigzinsumfeld in Europa erzwingt eine Erweiterung des Investmenthorizonts insbesondere bei konservativen Anlegern, die es gewohnt waren, mit traditionellen Bundes- und Unternehmensanleihen eine auskömmliche Rendite zu erzielen. Bei Stiftungen sind langfristiger Kapitalerhalt und laufende Erträge Kern der Anlageüberlegungen. Aus dieser Perspektive sind Exchange-Traded Funds (ETFs) prädestiniert für die Anlage von Stiftungsvermögen, denn sie punkten bei einem entscheidenden Faktor – der sehr günstigen Kostenstruktur –, insbesondere im Vergleich mit aktiv gemanagten Fondslösungen. Je länger der Anlagehorizont, desto größer wird der Kostenvorteil von ETFs.

Für konservative Anleger sind solche Produkte besonders interessant, die eine Investmentstrategie physisch replizieren und auf Wertpapierleihe verzichten. ETFs mit physischer Abbildung und ohne Wertpapierleihe sind die besten Argumente für sicherheitsbewusste Anleger bei der Auswahl der Investments. Weitere Faktoren sind die Transparenz sowie der eindeutige Kostenvorteil gegenüber aktiv gemanagten Portfolien.

Kosten im Blick

Aus Stiftungssicht stellt sich die Frage: Wie aktiv möchte oder kann eine Stiftung ihr Portfolio managen, welcher Kostenapparat ist nötig und gerechtfertigt? Unter Kostengesichtspunkten kann es sehr sinnvoll sein, ein rein ETF-basiertes Portfolio zu unterhalten. Andererseits können mit besonderen Stiftungszwecken auch Restriktionen bei der Wahl der Anlageklassen oder Ausschlusskriterien bei der Titelauswahl einhergehen, die nicht unmittelbar von einem ETF erfüllt werden können. Auch lassen sich nicht alle Assetklassen mit Exchange-Traded Funds abbilden, insbesondere nicht mit physisch replizierten. Entscheidend für den langfristigen Erfolg ist eine ausreichende Diversifikation des Gesamtportfolios. Im ETF-Universum gibt es für Stiftungen zahlreiche Investmentmöglichkeiten.

Einfache Diversifikation

Besonders in puncto Vielfalt zeigen ETFs ihre Stärken: Es gibt keine bessere Möglichkeit, das Beta eines diversifizierten Portfolios zu steuern, als über einen ETF. Auch bieten Exchange-Traded Funds jederzeit die Möglichkeit, auf das Marktgeschehen zu reagieren. Jedoch haben zahlreiche Studien gezeigt, dass ständiges Reagieren auf Marktentwicklungen nicht mit einer Mehrrendite entlohnt wird und dass nur sehr wenige Fondsmanager statistisch signifikant und autokorreliert Alpha erzeugen können. Erstens sind diese Fondsmanager sehr teuer, und zweitens ist es auch nicht gegeben, dass diese in einer Folgeperiode zu einer Outperformance beitragen können. Ein weiterer Vorteil von ETFs – gerade in volatilen Zeiten – ist die Transparenz des Investmentvehikels und der -strategie.

Das hängt natürlich von der Größe des zu verwaltenden Portfolios und von der Expertise der Verantwortlichen ab. ETFs unterscheiden sich teilweise nur marginal, etwa in Indexmethodologie, Kosten, Replikationsart oder Wertpapierleihe. Aber auch im Investmentprozess unterscheiden sich ETF-Anbieter voneinander, weswegen eine detaillierte Due Diligence unerlässlich ist. Im Allokationsprozess gilt es, diese Details genau zu beachten und Vor- und Nachteile herauszuarbeiten.

Generell ist es unerlässlich, das Portfolio breit zu diversifizieren, damit „wetterfest“ zu machen, und aus Portfoliosicht verschiedene Assetklassen abzudecken. Die Anzahl der notwendigen ETFs ist direkt abhängig von der strukturellen Asset-Allocation, vom Investmenthorizont und den besonderen Anlagezielen der jeweiligen Stiftung.

 


 

Contra ETF: „Vorsicht vor Risiken und Nebenwirkungen“

In steigenden Märkten locken ETFs mit niedrigen Kosten – doch in einem unsicheren Marktumfeld empfiehlt sich die aktive Steuerung durch Experten. Von Bernhard Matthes

Bernhard Matthes, CFA, ist Bereichsleiter Portfoliomanagement bei der Bank für Kirche und Caritas. Foto: BKC

Dass Exchange-Traded Funds (ETFs) eine grundsätzliche Daseinsberechtigung haben, soll an dieser Stelle nicht in Abrede gestellt werden. Auch die Diskussion der grundsätzlichen Glaubensfrage „Aktives vs. Passives Management“ würde hier zu weit führen. Im Rahmen einer selbstgesteuerten Asset-Allocation kann es für sehr große Stiftungen durchaus sinnvoll sein, bestimmte informationseffiziente Märkte – also Marktsegmente, in denen man sich keinen Mehrwert durch aktives Management verspricht – mit Indexanlagen abzubilden.

Für die überwiegende Mehrzahl kleiner und mittlerer Stiftungen sind ETFs im Normalfall hingegen meist nicht als Basisanlage geeignet. Vom Finanzverantwortlichen einer Stiftung selbstverwaltete Anlagestrategien, die auf ETFs basieren, erfordern eine kontinuierliche Meinung zur jeweils gerade richtigen Vermögensallokation und damit eine fortwährende, intensive Beschäftigung mit den Märkten sowie wiederholte Anpassungen („Rebalancing“) der Vermögensstruktur auf die gewünschten oder per Anlagerichtlinie vorgegebenen Anlagegrenzen.

Entscheidungen über Allokation delegieren

Die komfortablere und für Stiftungen naheliegende Alternative ist die Anlage in „fertige“ Stiftungsfonds, bei denen zum einen die Allokationsentscheidung delegiert wird und zum anderen eine stiftungsgeeignete Anlage- und Ausschüttungspolitik gewährleistet ist. Diese Stiftungsfonds – oft defensive Mischfonds – sind als Basisanlage für Stiftungen auch deshalb sinnvoll, weil sie als langfristig installiertes Investment disziplinieren und vor zu häufigen taktischen Umschichtungen schützen. Der Luxus einer Stiftung ist ja gerade ein langer Anlagehorizont, der sich auch in der Anlagepolitik widerspiegeln sollte. Zudem nimmt die heute sehr günstige Bepreisung vieler Stiftungsfonds den ETF-Befürwortern eines ihrer Hauptargumente.

Genau hinschauen bei der Auswahl

Grundsätzlich sollten Stiftungen, die dennoch eine Anlage in ETFs erwägen, sicherstellen, dass sie sich mit den Spezifitäten und Risiken hinreichend auseinandergesetzt haben. Eher technische Faktoren wie Risiken aus Wertpapierleihe und Kontrahentenrisiko bei synthetischen ETFs paaren sich mit ökonomischen Risiken: Die allermeisten Aktien-ETFs basieren auf der Kapitalisierungsgewichtung. Sie erwerben damit immer die „Gewinner von gestern“. Mit ETFs kauft eine Stiftung immer auch die „schlechten“ Aktien mit, etwa Unternehmen, die nicht profitabel oder überschuldet sind.

Gerade in Abwärtsphasen machen ETF-Anleger Korrekturen ungebremst mit. Aktives Risikomanagement findet nur dann statt, wenn der Anleger selbst eingreift. Sinnvolle, langfristige Ansätze, wie etwa das bewertungsbasierte Value-Investing, sind mit ETFs kaum möglich. Renten-ETFs hingegen folgen der problematischen Logik von Anleihen-Indizes: Je höher verschuldet ein Emittent ist, desto höher die Gewichtung im Index und im ETF.

Stiftungsfonds sind ETFs meist überlegen

Mit der natürlichen und kostengünstigen Alternative von Stiftungsfonds, welche volle Managementleistung, die Einzeltitelselektion, Währungsmanagement, oftmals ein Nachhaltigkeitskonzept sowie die Optimierung der Ausschüttung ermöglichen, gibt es für kleinere und mittlere Stiftungen, bei denen die Vermögensanlage begrenzten Ressourcen unterliegt, kaum Gründe, ETFs den Vorrang einzuräumen.

Der Artikel ist zuerst in DIE STIFTUNG 3/2019 erschienen.

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