Verbote von Einwegkunststoffartikeln haben weltweit Konjunktur. Doch wie wirksam sind derartige Verbote? Und welche weiteren Schritte müssen unternommen werden, um die Umweltbelastung durch Kunststoffe und Plastiken signifikant zu senken? Antworten auf diese Fragen liefert der Polyproblem Report, eine Studie der Röchling-Stiftung.

Den Polyproblem-Report der Röchling-Stiftung gibt es seit 2018. Seit nunmehr vier Jahren veröffentlicht die Stiftung einmal pro Jahr den Report in Form einer Studie und behandelt Fragestellungen rund um Kunststoffe. Die Themenausrichtung ist dabei kein Zufall, die 1990 gegründete Stiftung ist an die Röchling-Gruppe angegliedert, ein seit 1822 bestehendes Familienunternehmen, das Hochleistungskunststoffe für Industrie, Automobilindustrie sowie im Bereich der Medizintechnik und im Maschinenbau herstellt. Der diesjährige Report trägt den Titel Strafsache Strohhalm. Zusammen mit Wider Sense, einer Unternehmensberatung aus Berlin, die Unternehmen, Stiftungen und NGOs zu Corporate Social Responsibility berät, und dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, ein Think Tank im Bereich Nachhaltigkeitsforschung, wurde untersucht, ob Verbote von Einwegkunststoffprodukten wie Plastikstrohhalmen oder Wattestäbchen den weltweiten Kunststoffverbrauch signifikant reduzieren.

Eingeschränkte Wirkung von Verboten

Uwe Amrhein ist als Stiftungsmanager der Röchling-Stiftung unter anderem für den Polyproblem-Report verantwortlich.

Als Stiftungsmanager der Röchling-Stiftung ist Uwe Amrhein unter anderem für den Polyproblem-Report verantwortlich. Foto: Röchling-Stiftung

Die Bilanz über die Wirksamkeit von Verboten fällt gemischt aus. So sind Verbote laut Report nicht in der Lage, den weltweiten Kunststoffverbrauch von derzeit rund 400 Millionen Tonnen pro Jahr signifikant zu senken. Dazu machen die verbotenen Produkte einen zu geringen Anteil an der gesamten Kunststoffproduktion aus, erklärt Uwe Amrhein, Stiftungsmanager bei der Röchling-Stiftung und verantwortlich für den Polyproblem-Report. Auch führten Verbote bestimmter Kunststoffeinwegprodukte nicht zwingend zu einer besseren ökologischen Bilanz, da manche auf das Verbot hin eingeführte Alternative in der Gesamtbetrachtung nicht besser abschneide. So sei etwa beschichtete Papierverpackung in puncto Energieverbrauch und Wiederverwertbarkeit dem Kunststoffprodukt in vielen Fällen unterlegen. Für Verbraucher sei diese ökologische Gesamtbetrachtung nicht transparent.

Ein weiteres Problem besteht in den Verboten auf gänzlich unterschiedliche Kunststoffprodukte je nach Land. Es sei unmöglich, die Produktion eines bestimmten Einwegartikels zu stoppen, wenn dieser Artikel nicht weltweit verbannt wird. Global einheitlichere Regeln stehen zumindest in Aussicht, nachdem sich die internationale Staatengemeinschaft im März dieses Jahres auf der Umweltweltversammlung der UN in Nairobi per Resolution darauf geeinigt hat, bis 2024 ein weltweit verbindliches Plastikprotokoll einzuführen. Amrhein ist überzeugt, dass durch weltweit verbindliche Regeln bei der Verwendung von Kunststoffen der zunehmenden Verschmutzung der Umwelt mit Plastikabfall wirkungsvoller begegnet werden könne.

„Unsere Einweg-Kultur ist das Problem.“

Uwe Amrhein, Röchling-Stiftung

Was Verbote hingegen durchaus leisten sei – neben der offensichtlichen Abnahme von verkauften Einwegprodukten und der sinkenden Vermüllung der Umwelt mit nicht abbaubaren Kunststoffen – die Anregung des öffentlichen Diskurses über die Folgen des Konsums von Einwegkunststoff-Artikeln. Amrhein verspricht sich hiervon einen Wandel in den Köpfen der Bürgerinnen und Bürger und mehr Bewusstsein für das Thema. Entscheidend ist für ihn hierbei das wachsende Verständnis der Menschen dafür, dass nicht Kunststoff oder Plastik per se schlecht sei, sondern vielmehr die Gebrauchsform verschiedener Produkte. „Unsere Einweg-Kultur ist das Problem“, meint Amrhein und wünscht sich ein „Mehrweggebot anstatt eines Plastikverbots“.

Gleichzeitig müssen dem Manager der Röchling-Stiftung zufolge weitere Schritte eingeleitet werden, um das Kunststoff-Problem in den Griff zu bekommen. Dabei geht es weniger um Verbote von Einwegplastikartikeln, sondern stärker um die Frage, was Industrie und Politik an grundsätzlicher Arbeit leisten müssten.

Lösungsansätze und die Wichtigkeit des Diskurses

Das grundlegende Problem im Umgang besteht laut Amrhein darin, dass der Großteil von Kunststoffabfällen nach wie vor in der Natur lande. Seit Beginn der Kunststoffproduktion in den 1950er-Jahren wurden 12 Prozent der Plastikabfälle verbrannt und 9 Prozent recycelt. 79 Prozent landeten auf Deponien oder in der Natur. Aus diesen Zahlen leitet Amrhein eine ganze Reihe an Handlungsempfehlungen ab: Wirtschaft und Industrie sollten entschlossenere Schritte hin zu einer Kreislaufwirtschaft gehen. Zentral sind hier die Steigerung des Einsatzes sogenannter Rezyklate bei der Produktion mit Kunststoffen. Dazu muss in verbesserte Recyclingtechnologien und Produktionskapazitäten im Recycling investiert werden, damit Rezyklate im Vergleich zur fossilen Neuware wettbewerbsfähiger werden. Zusätzlich sollen Produzenten künftig auch weltweit stärker für die eigenen Kunststoffprodukte verantwortlich gemacht werden. Amrhein sieht in der globalen Umsetzung der Erweiterten Produzentenverantwortung (EPR) einen wichtigen Baustein. Dieses Prinzip besagt, dass der Inverkehrbringer einer Verpackung auch für deren Verwertung verantwortlich ist. Es hat westliche Industrieländer zum sogenannten Dualen System geführt. Im globalen Süden fehlen solche Systeme weitgehend und damit die Infrastruktur für ein geordnetes Abfallmanagement. Allerdings müsse die Industrie auch mehr unternehmen, damit Abfall erst gar nicht anfällt. „Produkte müssen viel stärker als bisher so gestaltet sein, dass sie im Kreislauf gehalten werden können“, sagt Amrhein. Bei Kunststoffprodukten sei dies vor allem durch den Verzicht auf Mischverbünde zu erreichen.

Unternehmen müssten sich die Frage stellen, welche alternativen Materialien für eine bessere ökologische Gesamtbilanz genutzt werden können, die zudem eine verlängerte Nutzungsdauer böten. Mit dem Polyproblem-Report versucht die Röchling-Stiftung Politik, Unternehmen und Zivilgesellschaft miteinander in den Dialog zu bringen, um die nötigen Transformationsprozesse in Gang zu setzen. Verbote von Einwegkunststoffprodukten können die durch Kunststoffe insgesamt verursachte Umweltbelastung nicht nachhaltig verringern, sind die Autoren des Reports überzeugt. Der daraus entstandene Diskurs, der nicht eine kunststofffreie, aber eine durch Kunststoffe weniger stark belastete Welt in den Blick nimmt, hingegen schon.

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